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Messer-Angriffe Ein paar Anmerkungen zur aktuellen Diskussion

Bild: pixabay.com
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Innenministerin Nancy Faeser hat angekündigt, das Waffen-recht zu verschärfen. Das Mitführen von Messern mit einer Klingenlänge über sechs Zentimeter und von Springmessern soll verboten werden. Im April 2023 hatte sie schon vorge-schlagen, Messer in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbieten – nach dem Mord an zwei Fahrgästen im Regionalzug in Brok-stedt (Schleswig-Holstein). Seitdem ist die Novelle des Waffen-gesetzes in der Ressortabstimmung. Insbesondere die FDP macht sich Sorgen, die Freiheit der Bürger:innen allzu sehr einzuschränken.

 

Das Waffengesetz ist vom 11. Oktober 2002.

Was sind Waffen? § 1 sagt: „Waffen sind Schusswaffen oder ih-nen gleichgestellte Gegenstände und tragbare Gegenstände, die ihm Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Ab-wehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzuset-zen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen; die, ohne dazu be-stimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herab-zusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.

 

Und in § 42 geht es weiter: „Wer an öffentlichen Vergnügun-gen, Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellun-gen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen teil-nimmt, darf keine Waffen im Sinne des § 1 Abs. 2 führen. Das gilt auch für Theater, Kino, und Diskothekenbesuche und für Tanzveranstaltungen.“ und § 42a dann: „Es ist verboten, (3.) Anscheinswaffen, Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Ab-schnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1 oder Messen mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Mes-ser mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen.“ Nach der ge-nannten Anlage geht es dabei um Springmesser, Fallmesser, Faustmesser und Butterflymesser. Dazu ist das Führen von ge-fährlichen Werkzeugen verboten, die bauartbedingt nicht zum Verletzen bestimmt sind, dafür aber „missbraucht“ werden können.

 

Das Strafrecht rechnet dazu Messer und sonstige Werkzeuge und Mittel. All das darf man kaufen und besitzen, zum Beispiel für den Gebrauch in der Küche, aber nicht bei sich führen, wenn man zu einem Volksfest oder einer Tanzveranstaltung geht. Jedes „Survival“-Geschäft, auch viele Bundeswehr- oder einfach Reiseläden bieten Messer an. Die benötigt man, um Haie und Bären abzuwehren, auch feindliche Soldaten. Also eigentlich gar nicht, aber viele kaufen sie. Straftaten werden damit übrigens selten begangen, bei häuslicher Gewalt (einer der häufigsten Straftaten) sind oft Messer im Spiel, die in je-dem normalen Haushalt vorhanden sind.

 

Die vorhandenen Messerverbote werden kaum kontrolliert. Auch wenn es bei Volksfesten, zum Beispiel bestimmten Groß-veranstaltungen während der »Kieler Woche«, Taschenkon-trollen gibt, gilt die eher mitgeführten Glasflaschen. Die vor-handenen Messerverbote geben der Ordnungsbehörde aber eine ausreichende Handhabe. Sie könnten, wenn sie denn per-sonell ausreichend vorhandeln sind, auch die Taschen nach Messern durchsuchen. Und es gibt auch Orte, zum Beispiel Ge-richte, wo an der Pforte auch normale Taschenmesser abgege-ben werden müssen. Das alles dient dazu, eine abstrakte Ge-fahr zu reduzieren – nicht dazu, ein einzelnes Attentat zu ver-hindern.

 

Beispiel Messerattentat 2017 in Hamburg:

Am 28. Juli 2017 erstach der staatenlose palästinensische Flüchtling Ahmad Alhaw bei EDEKA in Hamburg einen Kunden und verletzte vier andere. Das Messer hatte er sich vorher di-rekt aus dem Regal mit den Küchenmessern genommen. Er wurde in Saudi-Arabien geboten, ging später aber nach Gaza, danach nach Ägypten. Später stellte er Asylanträge in Norwe-gen, Schweden, dann in Spanien, danach in Deutschland, die alle abgelehnt wurden. Im Flüchtlingsheim wurde er auffällig, woraufhin die Hamburger Polizei die Sozialbehörde infor-mierte und um eine psychiatrische Begutachtung bat. Das wollte die Sozialbehörde auch machen und suchte dafür eine Arabisch-Dolmetscherin oder –Dolmetscher. Obwohl das Ver-waltungsgesetz damals ein Stundenhonorar von 70 Euro vor-schrieb, bot die Sozialbehörde in ihrer Mail allen Dolmet-scher:innen 20 Euro pro Stunde an, niemand übernahm die Aufgabe, die Begutachtung wurde von der Sozialbehörde ab-gesagt.

 

Man kann spekulieren, dass bei gesetzeskonformen Verhalten der Sozialbehörde eine psychische Störung vorher erkannt worden wäre, eine Therapie wäre möglich gewesen. Nach der Tat bestellte die Polizei übrigens mehrere Arabisch Dolmet-scher:innen, die alle die Mail der Sozialbehörde erhalten hat-ten, und bezahlte ihnen 70 Euro pro Stunde, um alle Chats aus mehreren Handys des festgenommenen Täters zu übersetzen. Er wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt. Die „Erspar-nis“ der Sozialbehörde war also relativ – die Begutachtung und Früherkennung wäre für 350 bis 700 Euro Dolmetschkos-ten möglich gewesen.

 

Messer-Kriminalität

Nach dem Auftritt von Alice Weidel im Bundestag 2018 von „Messermännern und Kopftuchmädchen“ gesprochen hatte, wurde ihre Partei AfD in allen Landesparlamenten aktiv und frage nach der „Messer-Kriminalität“. Die war nicht bekannt, weil solch ein Delikt in der Statistik unbekannt war. Aber CDU und SPD reagierten brav und führten die Statistik in allen Bun-desländern ein. Wo lokale Statistiken existierten, fragte die AfD zusätzlich nach Vornamen der Täter – bundesweit gewann „Michael“.

 

Das liegt daran, weil Messer bei verschiedenen Delikten vor-kommen. Die Delikte sind meistens Körperverletzung oder Raub. 2021 gab es dann erstmals eine bundesweite Statistik für „Messerangriffe“, es waren 10.917 Fälle. 2022 waren es bei

Körperverletzung 8.160 (2021: 7.071), aber Körperverletzun-gen gab es mehr als 150.000, die meisten ohne Messer. Bei Raub wurden Messer bei 4.195 Taten 2022 eingesetzt (2021: 3.060), insgesamt wurden aber 50.000 Raubdelikte registriert.

 

Täter waren fast immer junge Männer. Darunter war die Mehr-heit deutsch, aber rund 40 Prozent ausländisch, also mehr als der Ausländeranteil in der Bevölkerung. Die ausländischen Tä-ter waren aber zum Teil nicht aus der Bevölkerung, sondern aus dem Ausland – und in der ausländischen Bevölkerung gibt es einen sehr viel höheren Anteil junger Männer als in der deutschen Bevölkerung. Das verzerrt jede Statistik.

 

Bundesweit berichtet werden von rund 14.000 Straftaten, bei denen ein Messer im Spiel ist, nur über drei bis fünf, nämlich immer dann, wenn ein Ausländer oder eingebürgerter Deut-scher in den Öffentlichkeit ein Messer benutzt. Der größte Teil der Straftaten mit einem Messer passiert aber im Haushalt, bei häuslicher Gewalt (gegen Frauen), hat also nichts mit Migra-tion oder Asyl zu tun, sondern mit Männern.

 

Mitte Mai 2024 wurde in Offenbach eine 54-jährige Frau ersto-chen. Die Tat geschah in der gemeinsamen Wohnung, der Le-bensgefährte wurde festgenommen und gestand. Ende August wurde in Berlin-Friedrichsfeld eine Frau erstochen, der ehema-lige Lebensgefährte wurde kurz danach festgenommen.

Anfang September wurde in Mühlheim eine Frau erstochen, der Ehemann wurde festgenommen. Diese Fälle haben eines gemeinsam: In keinem Fall forderte die CDU, geschweige denn die AfD sofortige Maßnahmen von der Politik, um die Frauen besser zu schützen.

 

Es sind nicht führende Politiker, sondern Saskia und Lilly, die einen Instagram-Account eingerichtet haben, der Femizide im Deutschland zählt. Dabei zählen für sie die ermordeten Frau-en, unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit die Täter haben und welche Mittel sie für den Mord verwenden.

 

Die Forderungen der politischen Rechten kreisen nicht in er-ster Linie um den Islamismus, den man unter Neuankömmlin-gen wie unter (eingebürgerten) Deutschen nur vereinzelt vor-findet. Sie kreisen um das Thema Asyl: Einzelne Anschläge von Islamisten werden genutzt, um ihre Opfer zu diffamieren und auszugrenzen.

 

Hauptargument ist, dass „zu viele“ kommen. Nicht erläutert wird, ob es um zu viele Täter oder zu viele Opfer geht. Wirft man einen Blick auf die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak oder Russland, lehnen sie in ihrer großen Mehrheit die dortigen Herrschaftsformen ab, ob sie von den Taliban oder Assad, einer korrupten Elite oder einen islamistischen

Präsidenten dominiert werden. Eine Begrenzung würde also die Demokratie schwächen und die Rechte, die sich dann be-stätigt fühlt, stärken.

 

Allerdings ist es durch das Grundgesetz verboten: Das Asyl-recht ist ein Grundrecht, das durch die „Ewigkeits-Klausel“ ge-schützt ist. Man darf also nicht einen Antrag annehmen, prü-fen und genehmigen, um im nächsten Moment einen weiteren Antrag abzulehnen, weil es Antrag Nummer 120.001 ist. Auch eine Zurückweisung an der Grenze ohne Prüfung der Verfol-gung ist natürlich verboten, das wurde auch in der ähnlichen Diskussion 2016 geklärt, damals von der CDU-Bundesregie-rung.

 

Zudem ist die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Jahren ge-sunken. Das betrifft vor allem die Ukraine, wo sich die west-lichen Waffenlieferungen positiv auswirken. Es betrifft aber auch Syrien, wo der Krieg selbst durch den Abtransport von russischer Ausrüstung in die Ukraine abgeflaut ist. Zugenom-men hat die Flucht aus Afghanistan. Und das liegt nicht an der geringen Anhebung des Bürgergeldes, sondern an den ein-schränkenden Bestimmungen der Taliban für Frauen. Deshalb kamen wir 2023 auf 329.120 Asyl-Erstanträge, 2024 werden wir nur noch auf weniger als 250.000 kommen.

 

Ukrainische Flüchtlinge kamen 2022 rund 1,1 Millionen, 2023 kamen rund 120.000 dazu. Messer sind auch eine Frage der Kaufkraft Oft werden Messer verwendet, weil sie einfach und

billig zu besorgen sind. Wer Geld hat, kann sich eine Schuss-waffe kaufen – wer kein Geld oder keine Kontakte hat, nimmt ein Messer. Ein islamistisches Attentat mit einem LKW wie 2016 auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin (Breitscheidplatz) er-fordert erheblich mehr Vorbereitungen. Messer sind bei Ju-gendlichen auch oft ein Statussymbol. Sie nehmen ein Messer mit, um Eindruck zu machen. Bei Auseinandersetzungen ist es das einzige, was griffbereit ist.

 

Insgesamt sinkt die Zahl der Mordopfer seit langem. Gab es kurz nach der Wiedervereinigung noch jährlich fast 1.500 Mordopfer in Deutschland, waren es 2000 noch knapp 500 und 2023 noch knapp 300 im ganzen Jahr. Wenn also die AfD den Eindruck zu erzeugen versucht, es kämen mehr Flüchtlinge (stimmt auch nicht) und damit mehr Gewalt, so ist das erfun-den – auch wenn die CDU auf den Zug aufspringt und die SPD sich davon beeinflussen lässt.

 

Fazit:

Islamistische Anschläge kann man nur bekämpfen, indem man islamistische Anschläge bekämpft. Die Bekämpfung von Flüchtlingen oder die Erfüllen rechtsextremer Forderungen nach Einschränkungen der Grundrechte helfen nicht. Zwar wollen islamistische Attentäter auch, dass Grundrechte einge-schränkt werden, nehmen aber den Erfolg ihrer Forderungen eher als Ansporn zu weiteren Anschlägen. Die Demokratie kann man nur fördern, indem man die Demokratie fördert. Das heißt, dass man rechtsradikalen Forderung nach rassis-tischen Einreisebeschränkungen entgegentreten muss, auch wenn sie von einzelnen Politikern anderer Parteien übernom-men werden. Außerdem sollte man demokratisch gesonnene Flüchtlinge als Verbündete wahrnehmen, sie bemerken die Radikalisierung Einzelner im Flüchtlingsheim oder in ihrer Community weit früher als die Sicherheitsbehörden und sind zu einer Zusammenarbeit gerne bereit, wenn die Sicherheits-behörden das denn wollen.

 

(Quelle: gegenwind.info)


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