„Die aktuellen Diskussionen zum Umgang mit Flüchtlingen sind Gift für die europäische Demokratie, weil sie oft von po-pulistischen und irrationalen Forderungen geprägt sind, die die Rechte von Geflüchteten beschneiden und die Grundkon-sense der EU untergraben. Sie werfen auch die Frage auf, wie wir mit unseren europäischen Nachbarn umgehen. Die Vor-schläge führen zu einer weiteren Polarisierung der Gesell-schaft und gefährden die Solidarität und den Zusammenhalt innerhalb der EU“, warnt Oberkirchenrat Urs Keller, Vorstands-vorsitzender der Diakonie Baden.
Er sagt weiter:
„Die aktuelle Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen wird auf dem Rücken derjenigen ausgetragen, die nach Deutschland geflüchtet sind und nun hier leben, arbeiten und integriert sind. Diese Menschen sind nicht schuld an Proble-men wie Wohnraummangel, schlechten Schultoiletten oder maroden Brücken. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass wichtige Dienste weiter funktionieren, trotz des Mangels an Fachkräf-ten. Die tödlichen Messerattacken von Mannheim und Solin-gen schockieren uns alle. Hier muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgreifen. Aber die Taten Einzelner dürfen nicht da-zu führen, dass alle Flüchtlinge pauschal verurteilt werden. Wir sollten uns gegen politische Kräfte stellen, die die Gesell-schaft spalten wollen, und stattdessen diejenigen unterstüt-zen, die sich für den Zusammenhalt und die Integration von Flüchtlingen einsetzen.“
Zu diesen populistischen Forderungen gehören auch die For-derungen nach pauschalen Zurückweisungen an den EU-Bin-nengrenzen. „Die von der CDU/CSU geforderten Zurückwei-sungen an den Binnengrenzen sind nicht nur klar rechtswidrig und unterhöhlen den internationalen Flüchtlingsschutz, son-dern sind vor allem auch ein völlig untaugliches System, das die Effizienz des Asylsystems gefährdet“, sagt der Flüchtlings-rechtsexperte der Diakonie Baden, Jürgen Blechinger.
Politisch Verfolgte und Menschen, denen in Kriegssituationen individuelle schwere Gefahren für Leib und Leben drohen, ha-ben nach dem internationalen Flüchtlingsrecht ein Menschen-recht auf Schutz. Hierzu gehöre ein effektiver Zugang zu einem fairen und gerechten Asylverfahren in der EU, so Blechinger. „Bevor ein Asylsuchender an der Binnengrenze auf ein Asyl-verfahren in einem anderen EU-Staat verwiesen werden kann, muss zunächst dessen Zuständigkeit geklärt sein und dieser der Übernahme des Asylsuchenden auch zustimmen. Nur so ist sichergestellt, dass politisch Verfolgte ein faires und rechts-staatliches Asylverfahren bekommen.” Pauschale Zurückwei-sung führe zu einem unwürdigen Ping-Pong-Spiel und unter-grabe das internationale Flüchtlingsschutzsystem. Der Ansatz der Ampel, das Dublin-Prüfverfahren zu beschleunigen und auch bei den sogenannten Grenzaufgriffsfällen die Dublin-Ver-fahren beschleunigt und rechtsstaatlich durchzuführen, könne zwar die Unzulänglichkeiten des europäischen Asylsystems nicht lösen, seien aber, laut Blechinger, ein vernünftiger und pragmatischer Ansatz. Diese Verfahren würden bereits ange-wandt. „Im Zusammenwirken von Bund und Ländern können hier in enger Absprache mit den europäischen Partnern sicher noch Verbesserungen in den Abläufen erzielt werden. Es ist al-lerdings eine Illusion zu glauben, durch Zurückweisungen von im Herkunftsland hochgradig gefährdeten Menschen, könnten die Asylzahlen in Deutschland reduziert werden.”
Im Gegenteil: Das Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten unterminiere zum einen die europäische Solidarität, zum an-deren reisten die schutzbedürftigen Menschen über die „grü-nen“ Grenzen und auf anderen Wegen wieder ein und nicht zuletzt würden die Verfahren dadurch eher verlangsamt als beschleunigt. Statt solche untauglichen Scheinlösungen zu verfolgen, müsste über das Schutzgesuch in einem rechts-staatlichen Asylverfahren schneller entschieden werden und vor allem die Integrationsstrukturen besser ausgestattet und effizienter werden, sagt der Experte Jürgen Blechinger.
(Quelle: diakonie-baden.de)
Auch die Diakonie Schleswig-Holstein fordert, die populistische Diskussion zu beenden und stattdessen Integrationsarbeit zu stärken.
In ganz ähnlicher Weise äußerte sich heute auch Erzbischof Heße als katholischer Flüchtlingsbischof der DBK.