Das Positionspapier von UNHCR vom 16. Dezember 2024 er-setzt die "International Protection Considerations" vom März 2021, welche den Schutzbedarf von Personen aus Syrien de-tailliert in Hinblick auf bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Verfolgungssituationen beschrieben hatten. Die neue Position beschränkt sich demgegenüber auf wenige wichtige Punkte, wobei betont wird, dass angesichts der sich im Fluss befind-lichen Umstände schon bald weitere Aktualisierungen not-wendig werden könnten. Zum aktuellen Zeitpunkt befinde sich das Land aber in einem Zustand "zwischen Krieg und Frieden, zwischen Stabilität und Rechtlosigkeit, zwischen Wie-deraufbau und weiterer Zerstörung". Vor diesem Hintergrund lauten die zentralen Hinweise:
UNHCR ist bereit, die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen zu unterstützen, solange diese auf der Grundlage vollständiger Informationen über die Lage an dem Ort, an den sie zurück-kehren wollen, erfolgt. Aufgrund der humanitären Krise, dem hohen Grad von Binnenvertreibung und der weitreichenden Zerstörung des Landes wird UNHCR die freiwillige Rückkehr aber nicht im größeren Maßstab fördern ("[…] for the time being UNHCR ist not promoting large-scale voluntary repatriation to Syria").
Syrien ist laut UNHCR weiterhin betroffen von:
- Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes,
- weitreichender Binnenvertreibung,
- Verseuchung vieler Landesteile mit explosiven Hinterlassenschaften des Krieges,
- einer am Boden liegenden Wirtschaft,
- einer weitreichenden humanitären Krise, die sich darin zeigt, dass bereits vor den aktuellen Entwicklungen 16 Mio. Menschen auf humanitäre Unterstützung angewie-sen waren,
- massiver Zerstörung von Wohnraum, kritischer Infra-struktur und landwirtschaftlicher Flächen,
- unklaren Besitzverhältnissen von Landeigentum und Häusern, die zu komplexen und viel Zeit in Anspruch nehmenden juristischen Auseinandersetzungen führen werden.
Vor diesem Hintergrund fordert UNHCR zum jetzigen Zeit-punkt dazu auf, keine zwangsweisen Rückführungen nach Syrien durchzuführen. Dies gilt für syrische Staatsangehörige ebenso wie für Personen, die früher ihren gewöhnlichen Auf-enthalt in Syrien hatten, einschließlich die palästinensische Bevölkerung mit früherem Wohnsitz in Syrien ("[…] UNHCR for the time being continues to call on States not to forcibly return Syrian nationals and former habitual residents of Syria, including Palestininans previously residing in Syria, to any part of Syria").
- Unverändert fordert UNHCR alle Staaten auf, Zivilperso-nen, die aus Syrien fliehen, den Zugang zu ihrem Hoheits-gebiet zu ermöglichen, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurück-weisung (Non-Refoulement) jederzeit zu gewährleisten
- Zwar sind die Risiken einer Verfolgung durch die ehema-lige Regierung entfallen, andere Risiken könnten aber bestehen bleiben oder sich sogar verstärken. Da sich die Lage rapide verändere, kann UNHCR derzeit keine detail-lierten Empfehlungen zum Schutzbedarf syrischer Asyl-suchender abgeben. Aufgrund der gegenwärtigen Unsi-cherheit fordert UNHCR dazu auf, vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge zu fällen, bis sich die Situation in Syrien stabilisiert hat und es möglich ist, eine umfassende Bewertung des Schutzbedarfs vorzunehmen.
- Bei Personen, denen internationaler Schutz zugespro-chen wurde, sieht UNHCR die Voraussetzungen für die Beendigung des Schutzstatus zum aktuellen Zeitpunkt nicht als erfüllt an ("[…] UNHCR does not consider that the requirements for cessation of refugee status for bene-ficiaries of international protection originating from Syria have currently been met.").
UNHCR hat das Mandat, die Einhaltung und Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention zu überwachen. Den Richtlinien und Empfehlungen von UNHCR zum Schutzbedarf kommt somit eine besondere Rolle zu, auch wenn sie für die Staaten nicht bindend sind.