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Zeitenwende für Geflüchtete – Mehr Verantwortung wagen

Bild: pixabay.com
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Am 4. März 2022 beschloss der Rat der Europäischen Union in Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine, die sogenannte „Richtlinie über den vorübergehenden Schutz“ (Richtlinie 2001/55/EG) in Kraft zu setzen. Damit entfällt für Flüchtende aus der Ukraine zunächst die ausführliche Prüfung des Einzelfalls zugunsten eines vorübergehenden Schutzes der Vielen (in Deutschland auf Basis von § 24 AufenthG). Dieser Schritt ist nicht nur eine große Erleichterung für die Betroffenen, sondern auch ein großartiger Akt internationaler Verantwortung.

Über diesen spezifischen Krisenfall hinaus stellt der Krieg in der Ukraine aber auch fundamentale Fragen nach Europäischen Werten und ihrer Geschichte. Die Genfer Flüchtlingskonvention stellt eine Reaktion auf die Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges dar. Je mehr aber die Erinnerungen der Kriegsgenerationen verblassen, desto stärker drängen Ressentiments und eine Politik der Abschottung ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Deutschland hat eine spezifische Verantwortung dafür, sein Asyl- und Aufenthaltsrecht an den Bedürfnissen der Gegenwart auszurichten und auf Europäischer Ebene für eine progressive Herangehensweise bei Fragen zu Flucht und Vertreibung zu werben. Der Krieg in der Ukraine und die Situation der hier Ankommenden haben uns vor Augen geführt, dass die derzeitigen Regelungen den Erfordernissen eines globalen Akteurs wie der Europäischen Union nicht mehr gerecht werden. Gleichzeitig aber nimmt das neue Europa bereits klare Formen an.

Bis dato hat das deutsche Asylrechtssystem die Einzelfallprüfung zu restriktiv vorgenommen. Allein 2020 erwiesen sich mehr als die Hälfte der negativen Asyl-Entscheidungen des BAMF als fehlerhaft. Während des langwierigen Asylverfahrens sind Betroffene oft gezwungen, in überfüllten Unterkünften unter sub-optimalen Bedingungen zu leben. Darüber hinaus stellen sowohl Einzelfallprüfung als auch die daran anschließenden Gerichtsprozesse einen erheblichen (und kostspieligen) Verwaltungsaufwand dar. Die Leitlinien des BAMF sind zu restriktiv gefasst und werden der Realität von Verfolgung und Vertreibung nicht gerecht. Ein Beurteilungsmaßstab, welcher der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht, der konsequent der Intervention und Korrektur durch den Rechtsstaat bedarf, ist nicht nur systemisch dysfunktional, sondern produziert unnötig Folgekosten. Das gilt umso mehr, wenn es sich um den Schutz derjenigen handelt, die andernorts bereits Gewalt, Leid und Verfolgung ausgesetzt waren. 

Im Zuge der „Richtlinie über den vorübergehenden Schutz“ (Richtlinie 2001/55/EG) wurde die Aufnahme Flüchtender aus der Ukraine pragmatisch organisiert. Die Rahmenbedingungen ermöglichen nicht nur erleichterten Zugang zu Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt, sondern auch soziale und kulturelle Integration und damit psychologische Bearbeitung von Verlust und Trauma. Hatte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer noch 2020 einzelne Bundesländer daran gehindert, Flüchtende freiwillig aufzunehmen, befinden sich heute tausende in Privathaushalten. Um Schutz muss nicht länger gekämpft werden. Willkommenskultur setzt sich durch.

Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist das erste und wichtigste universell geltende Abkommen, das die Rechte von Geflüchteten regelt. Zu diesen Rechten gehört die Religions- und Bewegungsfreiheit sowie das Recht, zu arbeiten, das Recht auf Bildung und das Recht auf den Erhalt von Reisedokumenten. Ein Kernprinzip der Konvention ist das Verbot, Geflüchtete in ein Land zurückzuweisen, in dem sie Verfolgung fürchten müssen (Prinzip des Non-Refoulement). Damit schützt die Konvention Geflüchtete vor einer Abschiebung ohne vorherige Prüfung ihrer Asylgründe und gibt ihnen das Recht, sich bei Ablehnung ihres Asylantrags an die Gerichte zu wenden. Dieses Recht auf eine individuelle Prüfung der Verfolgungsgründe ist eine Reaktion auf die Erfahrungen während des deutschen Faschismus und muss um jeden Preis verteidigt werden.

Offenkundig ist jedoch auch, dass es Situationen gibt, die ergänzende gruppenbezogene Regelungen erfordern. Das Deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht bedarf daher der Überarbeitung in zweierlei Hinsicht:

  1. Rechte: Im Zuge der „Richtlinie über den vorübergehenden Schutz“ sind einfache Zugänge zu Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem etc. für aus der Ukraine Geflüchteten geschaffen worden. Diese Zugänge sollten jetzt und in Zukunft auch denjenigen eröffnet werden, die vom bestehenden Asylsystem Gebrauch machen.

  2. Verfahren: Durch die „Richtlinie über den vorübergehenden Schutz“ wurde das auf einer Einzelfallprüfung basierende Asylsystem für Geflüchtete aus der Ukraine um die Möglichkeit, einen gruppenbezogenen Schutzstatus zu erhalten, ergänzt. Diese Regelung erleichtert die entsprechenden Prozesse auch auf administrativer Seite bürokratisch und finanziell massiv. Der Bundestag sollte eine solche ergänzende Regelung auch für andere Flüchtlingsgruppen schaffen, die es ermöglicht, Flüchtenden aus besonderen Krisengebieten den Aufenthalt und Zugang zu Ressourcen in Deutschland jenseits einer Einzelfallprüfung zu ermöglichen. Das BMI ist aufgefordert, bestehende Aufnahmeprogramme für Menschen aus weiteren Krisengebiete - zum Beispiel für Afghanistan, Syrien, Somalia, Sudan - zu öffnen und die Geflüchteten, die hierunter fallen, von der Visumspflicht zur Einreise zu befreien.

Bis Ende Juni 2022 haben mehr als sechs Millionen Menschen aus der Ukraine die Grenze zur EU übertreten - fast vier Millionen Menschen sind in der EU verblieben. Das sind ungefähr doppelt so viele wie in den Jahren 2015/16 aus Syrien zusammen. Dennoch ist es bis jetzt nicht zum Untergang des Abendlandes gekommen. 

Vielmehr erleben wir eine Welle der Anteilnahme und des ehrenamtlichen Engagements, sowie der Dankbarkeit und der internationalen Anerkennung. Dabei können wir auf zivilgesellschaftliche Strukturen zurückgreifen, die sich 2015/16 zur Unterstützung von aus Syrien geflüchteten Menschen gebildet haben. Diese Zeitenwende wird unter anderem Konsequenzen haben für die Willkommenskultur in Deutschland: Wer sich Herausforderungen stellt, öffnet neue Horizonte. Und wer Hilfsbereitschaft sät, erntet oft Loyalität. 

Deutschland ist bereit für dieses Mehr an Solidarität und für eine grundlegende Reform des Aufenthaltsrechts. 

Deswegen fordern wir:

  1. Legale und sichere Einreisewege
  2. Freie Wahl des Schutzlandes
  3. Berücksichtigung der Bedürfnisse bei einer Verteilung innerhalb Deutschland  oder Freie Wahl des Wohnorts innerhalb Deutschlands
  4. Familiennachzug vereinfachen
  5. Unterbringungspflicht in Sammelunterkünften beenden - Wohnungen schaffen
  6. Spracherwerb ermöglichen
  7. Liberalisierung des Arbeitsmarktzugangs
  8. Gleichberechtigter Zugang zu Sozialleistungen
  9. Perspektiven für unbefristeten Aufenthalt schaffen


Hier die Forderungen im Einzelnen:

(1) Legale und sichere Einreisewege 

Während Ukrainer*innen derzeit mit offenen Armen empfangen werden, werden gleichzeitig Menschen an anderen Außengrenzen mit Gewalt vom Grenzübertritt abgehalten und teilweise entgegen dem Non-refoulement-Gebot gewaltsam vor den Toren der Festung Europa zurückgewiesen oder sterben auf dem Weg über das Mittelmeer. Die EU hat in Bezug auf ukrainische Geflüchtete erkannt, dass die visumsfreie Einreise für Menschen in Not ein Gebot der Menschlichkeit ist. Trotzdem verfügt die EU bislang nicht über einen spezifischen Rechtsrahmen für humanitäre Visa und hat daher keine formellen Kanäle, um Menschen, die internationalen Schutz benötigen, die Möglichkeit zu geben, auf sicherem Weg in die EU zu gelangen - obwohl das Europäische Parlament dies schon seit 2018 fordert. 

In der Konsequenz mussten mehr als 90 Prozent derjenigen, die in Europa Asyl beantragen, auf der Flucht ihr Leben riskieren. Seit 2014 sind ca. 24.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken.

Die Europäische Kommission und der Rat sollten ihren Spielraum in dieser Frage nutzen und die Voraussetzungen für humanitäre Visa für alle Schutzsuchenden schaffen. Außerdem sollte die EU für legale und sicherere Zugangswege sorgen und das Sterben vor den Europäischen Außengrenzen stoppen.

Bis dahin sollte das BMI zumindest auf nationaler Ebene die legale Einreise  durch die Verabschiedung von Aufnahmeprogrammen nach § 23 Abs. 2 AufenthG insbesondere für besonders vulnerable Gruppen ermöglichen. Der Erlass einer Aufnahmeanordnung für russische und belarussische Queers, Dissidenten, Menschenrechtler*innen und Journalist*innen wäre im Kontext des Kriegs in der Ukraine hierfür ein erster wichtiger Schritt. Weiter muss die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Bundesländern endlich ernst und beim Wort genommen werden. Den Bundesländern sollte die Möglichkeit eröffnet werden, Landesaufnahmeprogramme ohne das Einvernehmen des BMI aufzulegen.

(2) Freie Wahl des Schutzlandes

Die Dublin-III-Verordnung verpflichtet Asylsuchende, ihr Asylverfahren im Ersteinreisestaat zu durchlaufen. Dieses Zwangssystem führt seit Jahren zu viel Leid bei den Betroffenen, einer Verzögerung beim Zugang zu Schutz und einer Überlastung der Mitgliedstaaten mit Außengrenzen, in denen die Lebensbedingungen für Asylsuchende und Flüchtlinge zum Teil sehr schlecht sind. Dem Ukraine-Ratsbeschluss der Europäischen Union liegt hingegen die Erwägung zu Grunde, dass die Geflüchteten den Mitgliedstaat wählen, in dem sie samt Familien und Bezugspersonen den vorübergehenden Schutz in Anspruch nehmen wollen. Die EU erkennt zu Recht an, dass dies in der Praxis eine ausgewogene Verteilung zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

Die Europäische Union sollte dieses hervorragende Modell verstetigen. Eine Ausweitung der jetzt für Flüchtende aus der Ukraine etablierten freien Wahl des Mitgliedstaates für Asylsuchende auf alle Flüchtenden bietet, verbunden mit einem europäischen Ausgleichfonds, eine Lösung, das bestehende suboptimale Aufenthaltsrecht zu einem besseren zu wenden.


(3) Berücksichtigung der Bedürfnisse bei einer Verteilung innerhalb Deutschland  oder Freie Wahl des Wohnorts innerhalb Deutschlands

Eine Verteilung von Geflüchteten innerhalb Deutschlands ausschließlich nach dem Königsteiner Schlüssel, der sich zu 2/3 aus dem Steueraufkommen und zu 1/3 aus dem Bevölkerungsanteil der Bundesländer zusammensetzt, lässt viele wichtige Faktoren unberücksichtigt. Es ist unerlässlich und an der Zeit, verschiedenste Vulnerabilitäten sowie individuelle und gruppenbezogene Bedarfe von Geflüchteten bei der Verteilung zu berücksichtigen. Dazu zählen Zugänge zu adäquaten medizinischen Versorgungsleistungen genauso wie das Vorhandensein von Communitystrukturen verschiedener Zielgruppen. Der Mehraufwand bei einer Verteilung zahlt sich durch adäquate Zugänge und somit bessere medizinische Versorgung und psychische Stabilisierung aus. Vulnerabilitäten und spezifische Bedarfe müssen bei einer regionalen Verteilung Berücksichtigung finden. Mit der Neuanschaffung der entsprechenden Verteilungssoftware "free" von BMI/BAMF ist eine erste Minimalumsetzung schon jetzt technisch möglich. Die beste Möglichkeit ist ein Free Choice System, bei dem sich Geflüchtete ihren eigenen Aufenthaltsort nach ihren Bedürfnissen auswählen. 

(4) Familiennachzug vereinfachen

Der Familiennachzug zieht sich in der Praxis wegen der Überlastung deutscher Behörden, bürokratischer Hürden oder kaum zu erfüllender Voraussetzungen unzumutbar lange hin. Diese Belastung durch die langen Wartezeiten zermürbt Familien – und behindert die Integration. Es bedarf daher eines Ausbaus der Kapazitäten bei der Bearbeitung von Visaanträgen und der Schaffung digitaler Antragsmöglichkeiten.

Statt bei den unterbesetzten Auslandsvertretungen könnten Anträge auf Familiennachzug in Deutschland im Bundesamt für  Auswärtige Angelegenheiten bearbeitet werden, und auch lokale Ausländerbehörden könnten durch das Vorabzustimmungsverfahren frühzeitig eingebunden werden. All das würde die Wartezeiten enorm verkürzen und funktioniert bei zugewanderten Fachkräften, die ihre Familien nachholen, bereits sehr gut.

Wie im Koalitionsvertrag bereits vorgesehen, sollten subsidiär Schutzberechtigte und GFK-Flüchtlinge gleichgestellt werden. Damit Eltern sich nicht entscheiden müssen, welche Kinder sie allein lassen, sollte der Elternnachzug mit allen Geschwisterkindern ermöglicht werden. 

(5) Unterbringungspflicht in Sammelunterkünften beenden - Wohnungen schaffen

Die Unterbringung in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften führt oft zu einem weitgehenden Verlust der Privatsphäre und Isolation von der Mehrheitsgesellschaft. Eine ernsthafte Kontrolle der Standards der Unterkünfte findet kaum oder gar nicht statt, und eine demokratische Teilhabe der Untergebrachten an der Gestaltung ihrer Wohnverhältnisse ist äußerst selten gewährleistet. 

Solange Lager als Unterbringungsform existieren, muss alles unternommen werden, um die Folgen dieser Unterbringung zu begrenzen. Dazu bedarf es einer zeitlichen Beschränkung des Aufenthaltes in diesen Lagern, der Etablierung von Mindeststandards in Form subjektiver Rechte, stärkerer Kontrolle der Vorgaben, der Einrichtung eines Beschwerdemangements, Nutzer*innenbeiräten, unabhängiger Unterstützung und Rechtsberatung und einer deutlichen Verbesserung des Betreuungsschlüssels. Grundsätzlich ist Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen aus humanitären Gründen auf maximal vier Wochen zu begrenzen. Im Anschluss sollte eine Unterbringung dezentral erfolgen.

Darüber hinaus hat die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter erneut gezeigt, dass zivilgesellschaftliches Engagement besonders dort aushelfen muss, wo es den staatlichen Institutionen an politischer Initiative fehlt. Sehr viele Menschen waren und sind kurzfristig dazu bereit, in Notsituationen Wohnraum bereit zu stellen. Die Geflüchteten leiden dabei besonders unter der ohnehin bestehenden dramatischen Situation in Bezug auf die Verfügbarkeit von Wohnraum generell. Insbesondere in Großstädten gibt es einen erheblichen Mangel an bezahlbarem Wohnraum und sozialem Wohnungsbau. Diesem sollte angesichts der jüngeren Entwicklungen mit generellen Maßnahmen begegnet werden: Mehr sozialer Wohnungsbau, eine stärkere Mietpreisbeschränkung und ein deutliches Eintreten gegen Immobilienspekulation in Großstädten sind essentielle Schritte um der sich stetig verschärfenden Situation zu begegnen.  

(6) Spracherwerb ermöglichen

Der Erwerb der Sprache des Ziellandes nimmt in vielerlei Hinsicht eine zentrale Stellung ein: Arbeitsmarkt, Bildung und Integration allgemein sind nur einige Beispiele. Der Zugang zu Integrationskursen und berufsbezogenen Deutschkursen ist daher von zentraler Bedeutung. Geflüchteten aus der Ukraine wurde deshalb richtigerweise der Zugang zu Integrationskursen sofort eröffnet. Um den Bedarf zu decken, muss auch die Arbeit der Integrationslehrer*innen attraktiver vergütet werden. Die bereits absehbaren Erfolge dieser sozialpolitischen Intervention sollten uns dazu anhalten, die Einschränkungen des § 44 AufenthG abzuschaffen und allen Menschen bereits vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - unabhängig von ihrem Herkunftsstaat oder ihrer "Bleibeperspektive" das Recht auf  Teilnahme an einem Integrationskurs einzuräumen.

(7) Liberalisierung des Arbeitsmarktszugangs

Geflüchteteten Ukrainer*innen ist die sofortige Arbeitsaufnahme gestattet.

In den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts ist es Asylsuchenden generell verboten, in Deutschland zu arbeiten. Wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, dürfen sie die ersten neun Monate nicht arbeiten. Geflüchtete aus Herkunftsstaaten die für "sicher" erklärt wurden (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik, Montenegro, Senegal, Serbien) dürfen überhaupt nicht arbeiten. Diese Arbeitsverbote sollten vollständig abgeschafft werden. 

Für den Zugang zum Arbeitsmarkt ist die Erteilung von sicheren Aufenthaltstiteln wichtig. Diese kommt letztlich auch den Arbeitgebern zu Gute, die den unsicheren Aufenthalt von Asylsuchenden und Geduldeten ebenfalls als Unsicherheitsfaktor erleben und daher oftmals von einer Anstellung Abstand nehmen. 

Weiterhin sollte die Aufnahme einer Selbstständigkeit statusunabhängig gestattet werden. Auch die Wohnsitznahmeverpflichtung steht derzeit Ausbildungs‑, Beschulungs- und Arbeitsmöglichkeiten oftmals entgegen, da kein Rechtsanspruch auf Umzug besteht.

Die Anerkennung von Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüssen sollte erleichtert, bestehende bürokratischen Hürden sollten abgebaut werden.

Die EU stellt zu Recht fest, dass die Schaffung eines Mechanismus zur einfachen und raschen Anerkennung entscheidend dazu beiträgt, dass Personen Arbeitsplätze finden können, die ihren Qualifikationen entsprechen. Dies erleichtert ihre Integration und führt dazu, dass ihre Fähigkeiten besser genutzt werden, was sowohl dem Einzelnen als auch den Aufnahmegemeinschaften zugute kommt.

Ein Nachholen von Schulabschlüssen und die entsprechende Vorbereitung hierfür sollte auch nicht mehr schulpflichtigen Personen gebührenfrei bei gleichzeitiger staatlicher Sicherung des Lebensunterhalts ermöglicht werden, um eine optimale Eingliederung in den hiesigen Arbeitsmarkt auch angesichts bestehender Fachkräftemängel zu gewährleisten. 

(8) Gleichberechtigter Zugang zu Sozialleistungen

Es ist zu begrüßen, dass Menschen mit einem Aufenthaltstitel gem.§ 24 AufenthG der Zugang zum regulären Sozialleistungsregime auf Grund Ihrer feststehenden längerfristigen Bleibeperspektive gewährt werden soll. Ebenso längerfristige Bleibeperspektiven haben jedoch auch die anderen Personengruppen, die im MPK-Beschluss bislang keine Erwähnung finden; dazu gehören z.B. Geflüchtete aus Kriegs- und Krisenregionen wie Afghanistan oder Somalia, in die eine Rückkehr auf absehbare Zeit undenkbar ist, aber zum Beispiel auch  Landesaufnahmeprogramm-Geflüchtete und Personen mit Kettenduldungen oder Langzeitgeduldete. Eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes wäre ein konsequenter Schritt hin zu einer liberalen und verwaltungsarmen Geflüchtetenpolitik. 

Das Asylbewerberleistungsgesetz ist 1993 aus dem sogenannten “Asylkompromiss” hervorgegangen. Seither haben sich aber die damaligen innen- und außenpolitischen, sowie die ökonomischen  Ausgangsbedingungen signifikant geändert. Eine Kopplung von Sozialleistungen an Bleibeperspektiven ist heute weder ökonomisch noch politisch geboten. Das Asylbewerberleistungsgesetz sollte auch deshalb abgeschafft werden. 

BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld, aber auch Kinder- und Elterngeld, sowie Zugang zur regelhaften Gesundheitsversorgung sollten statusunabhängig und ohne Wartefristen zugänglich sein. 

(9) Perspektiven für unbefristeten Aufenthalt schaffen

Je länger ein tatsächlicher Aufenthalt besteht, desto enger verwurzeln Menschen mit dem Ort, an dem sie leben, aber auch mit den dort ansässigen Menschen. 

Die Duldung bedeutet für die Betroffenen nicht nur ein Leben in Angst, Perspektivlosigkeit und Armut, sondern auch geringere Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, in der Bildung und in der selbstbewussten Entwicklung persönlicher Potenziale. Letztlich sind dies auch verpasste Chancen für die Gesellschaft, in der diese Menschen leben. Mit Blick auf die gemeinsame gesellschaftliche Zukunft ist es geboten, ihnen jetzt eine Lebensperspektive zu eröffnen und ein Bleiberecht zu gewähren. Mit zunehmender Dauer des Aufenthalts ist eine Abschiebung auch humanitär nicht mehr vertretbar.

Menschen, die seit fünf Jahren oder länger in Deutschland leben, sollten daher eine Aufenthaltserlaubnis ohne kleinteilige Voraussetzungen erhalten. Darüber hinaus sollten die bereits bestehenden humanitären Bleiberechtsregelungen so geändert werden, dass es zukünftig keine langjährigen Kettenduldungen mehr gibt.

Die Petition unterschreiben, können Sie hier.

 

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Erstunterzeichner*innen:

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., PRO ASYL e.V., Seebrücke Deutschland, Deutsche Aidshilfe e.V.

Wenn Sie die Petition als Organisation mitzeichnen möchten, schreiben Sie eine E-Mail an ag-politik[at]queere-nothilfe-ukraine.de 

 

 


Kontakt

Zuflucht - Ökumenische Ausländerarbeit e.V.

Berckstr. 27

28359 Bremen

 

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Fax: 0421 8356152

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