Beim Flüchtlingsgipfel am Mittwoch, 10. Mai 2023, werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen des Februargipfels vorgestellt und diskutiert. Erste Einblicke in die Ergebnisse lassen neben ein paar sinnvollen Maßnahmen, wie die zur Entlastung der Ausländerbehörden, Schlimmes erahnen: Die Bundesregierung will nun wie die Vorgängerregierung auf AnkER-Zentren, auf „sichere Herkunftsstaaten”, auf mehr und längere Abschiebungshaft sowie auf stärkere Abschottung an den Außengrenzen setzen.
„Anstatt den Bundesländern bei der Finanzierungsfrage entgegenzukommen, will die Bundesregierung sie mit Gesetzesverschärfungen auf Kosten der Geflüchteten ruhig stellen. Innenministerin Faeser setzt dabei auf alte Seehofer-Rezepte, die den Druck auf geflüchtete Menschen erhöhen, sie isolieren und letztlich vor allem ein Ziel haben: Dass möglichst wenige Fliehende nach Deutschland kommen. Der aktuelle Abschiebungs- und Abschottungsaktionismus löst nicht die Probleme der Kommunen, sondern verstärkt rassistische Stimmungen. Die meisten Schutzsuchenden kommen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Türkei oder dem Iran, in denen Gewalt, Diktatur und Verfolgung herrschen. Diese Menschen haben ein Recht auf Schutz”, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.
Seit Monaten berichten viele Kommunen und Behörden von großen Herausforderungen bei der menschenwürdigen Unterbringung von geflüchteten Menschen und der Bearbeitung ihrer verschiedenen Anliegen sowie der unzureichenden finanziellen Unterstützung durch den Bund. Hier gilt es, schnelle und praktische Lösungen zu finden, wie im letzten Jahr mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine geschehen. Mehrfach haben PRO ASYL und Flüchtlingsräte an Bundesregierung und Länder appelliert, auf starre Regelungen zu verzichten, die Menschen zwingen, in staatlichen Unterkünften statt privat zu wohnen, oder sie bei ihrer Wohnungssuche einschränken.
Statt solche pragmatischen Wege zu gehen, will die Bundesregierung wohl ein Prestigeprojekt des früheren CSU-Innenministers Horst Seehofer neu aufleben lassen: Die AnkER-Zentren. Dabei steht eindeutig im Koalitionsvertrag: „Das Konzept der AnkER-Zentren wird von der Bundesregierung nicht weiterverfolgt.”
Die gewünschte Beschleunigung von Asylverfahren in AnkER-Zentren wird aber gar nicht erreicht, sie sind dort laut Evaluationsbericht des BAMF mit 77 statt 82 Tagen kaum kürzer. Dafür leidet die Qualität der Asylverfahren, die Gesundheit der Menschen und sie haben weniger Möglichkeiten, in Deutschland anzukommen. Auch Abschiebungen sind nicht leichter in solchen großen Unterbringungen durchzuführen, führen aber der Erfahrung nach zu (Re-)Traumatisierung der anderen Bewohner*innen. Ein breites Bündnis deutscher zivilgesellschaftlicher Organisationen sprach sich deswegen vor der Bundestagswahl 2021 gegen AnkER-Zentren und für eine zukunftsorientierte Erstaufnahme aus (siehe hier die Erklärung und hier die Erläuterungen zu den Problemen).
Laut Medienberichten sollen Georgien und Moldau als sogenannte “sichere Herkunftsstaaten” eingestuft werden.
“Besonders negativ überrascht sind wir davon, dass die Bundesregierung mit dem alten Trick der angeblich sicheren Herkunftsstaaten um die Ecke kommt – und das bei grüner Regierungsbeteiligung, obwohl die Grünen zurecht dieses Konzept aufgrund der negativen Konsequenzen für faire Asylverfahren stets abgelehnt haben. Dass hier ausgerechnet Moldau und Georgien ins Spiel gebracht werden, ist angesichts der dortigen Angst vor einem russischen Einmarsch besonders realitätsfremd”, so Wiebke Judith.
Im Koalitionsvertrag ist eine Ausweitung der “sicheren Herkunftsstaaten” explizit nicht vorgesehen, sondern lediglich eine interne Priorisierung der Herkunftsländer mit niedriger Anerkennungsquote beim BAMF – was nicht mit der Vorverurteilung und schlechteren Verfahrensrechten wie bei “sicheren Herkunftsstaaten” einhergeht.
Von georgischen Staatsangehörigen wurden bis Ende April 3.400 Asylerstanträge (circa 3% der gesamten Erstanträge) und von moldauischen Staatsangehörigen wurden 690 Erstanträge gestellt (weniger als 1% der gesamten Erstanträge). Folglich sind durch diese Maßnahme keine erheblichen Auswirkungen auf die Flüchtlingszahlen zu erwarten. Die große Mehrheit der Schutzsuchenden in Deutschland hat ein Recht auf Schutz, wie die Rekordschutzquote 2022 von 72% zeigt. Auch hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Anwendung des Konzepts der “sicheren Herkunftsstaaten” nur zu einem Zeitersparnis von 10 Minuten führt.
PRO ASYL kritisiert auch stark die neue Position der Bundesregierung bezüglich Grenzverfahren unter Haftbedingungen an den EU-Außengrenzen (siehe hierzu Presseerklärung vom 28. April 2023). Es ist dabei besonders makaber, diese Einschnitte in Menschenrechte als Lösung für die aktuellen Probleme der Kommunen zu verkaufen.
PRO ASYL fordert die konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags, ein sofortiges Ende der Stimmungsmache gegen geflüchtete Menschen und den unbedingten Zugang zu fairen und sorgfältigen Asylverfahren für alle schutzsuchenden Menschen.
(Quelle: PROASYL)