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Bundesregierung plant Ausweitung der Liste vermeintlich "sicherer Herkunftsländer"

Bild: pixabay.com
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In einem Gesetzentwurf plant das Bundesinnenministerium die Ausweitung der Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer um Georgien und Moldau. In der politischen Diskussion wird darüber hinaus die Einstufung weiterer Staaten als „sichere Herkunftsländer“ debattiert. Die damit einhergehenden Einschränkungen im Asylverfahren würden gerade auch lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere (LSBTIQ*) Asylsuchende aus diesen Ländern hart treffen. Bereits 1996 hatte das Bundesverfassungsgericht als Bedingung für eine Einstufung als „sicheres Herkunftsland“ festgelegt, dass in ihm "Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen" muss. 2021 erst hatte das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs geurteilt, dass Ghana und Senegal wegen der queerfeindlichen Verfolgung in Frankreich nicht als sichere Herkunftsländer gelistet werden dürfen. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD):

 

Dass die Bundesregierung nun – anstatt die LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal zu streichen – auch noch eine Ausweitung der Liste betreibt, ist ein Rechtsbruch der Bundesregierung mit Ansage. Dies passiert ganz klar auch auf Kosten LSBTIQ* Geflüchteter aus diesen Ländern. Stellen sie in Deutschland einen Asylantrag in Deutschland, kämen sie in beschleunigte Verfahren. Bei einer Ablehnung ist die Klagefrist dann verkürzt, und auch aus einer laufenden Klage heraus können sie abgeschoben werden. Da viele LSBTIQ* sich gerade zu Anfang des Asylverfahrens oft nicht trauen, ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität anzusprechen und ihre Verfolgungserfahrungen vorzutragen, würde die Einstufung gerade LSBTIQ* aus diesen Ländern in akute Gefahr bringen. Denn: Weder die LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal, noch die ebenfalls wieder als „sicher“ diskutierten Verfolgerstaaten Marokko, Tunesien und Algerien und auch nicht Georgien und Moldau sind für LSBTIQ* sicher!

 

In den bereits als angeblich sicher eingestuften Staaten Ghana und Senegal werden LSBTIQ* verfolgt und mit mehrjährigen Haftstrafen bedroht. Die gesellschaftliche Ächtung ist massiv. Das Gleiche gilt für die Maghrebstaaten Algerien, Marokko und Tunesien, deren Einstufung die schwarz-rote Bundesregierung 2019 bereits erfolglos betrieben hat. In Tunesien beispielsweise werden weiterhin als schwul verdächtigte Männer Zwangsanaluntersuchungen unterzogen, die international und auch von Deutschland als Folter geächtet sind. Zwar besteht etwa in Georgien (wie auch in Moldau) keine Strafgesetze gegen Homosexualität, jedoch sind LSBTIQ* dort nicht vor der teils massiven gesellschaftlichen Gewalt und Diskriminierung geschützt. Dies hat erst kürzlich Dr. Julia Ehrt, Geschäftsführerin unseres globalen Dachverbandes ILGA, im Menschenrechtsausschuss des Bundestages ausführlich vorgetragen und in ihrem schriftlichen Bericht ausführlich mit Quellen belegt. Für Georgien, wie auch für die Maghreb-Staaten, und auch für Ghana und Senegal, liegen Verwaltungsgerichtsurteile vor, die ganz allgemein von einer Verfolgung von LSBTIQ* sprechen.

 

In keinem der diskutierten Staaten ist die vom Bundesverfassungsgericht als Bedingung für eine Einstufung formulierte Sicherheit vor Verfolgung garantiert.  Auch kann die Bundesregierung nicht erneut ignorieren, dass 2021 erst der französische Conseil d'État – immerhin das höchste Verwaltungsgericht des Landes! – Ghana und Senegal aufgrund der queerfeindlichen Verfolgung von der französischen Liste hat streichen lassen. Wir fordern Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und die Einstufung von Ghana und Senegal endlich zu suspendieren. Wir erwarten von Außenministerin Annalena Baerbock, dass sie klar und öffentlich benennt, dass in keinem der diskutierten Länder LSBTIQ* sicher vor Verfolgung sind. Der Queer-Beauftragte Sven Lehmann, die Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan und die Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg müssen sich klar gegen das Vorhaben positionieren. Auch rufen wir die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP, die einen queerpolitischen Aufbruch und eine feministische Außenpolitik versprochen haben, auf, konsequent zu sein und sich klar gegen eine Ausweitung zu stellen.

 

(Quelle: LSVD)


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