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Neue Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung (§ 16g) statt Ausbildungsduldung ist beschlossen, aber mit erschwerenden Sonderkonditionen

Bild: pixabay.com
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Der Bundestag hat am 23. Juni 2023 das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ beschlossen. Gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf  durch die Regierungsfraktionen sind noch einige wichtige Änderungen eingefügt worden. Diese finden sich in der Beschlussempfehlung des Innenausschusses.

 

Ohne hier auf viele weitere wichtige Punkte einzugehen:

Ein zentraler Punkt ist darin die Einführung einer neuen Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung für Menschen mit Duldung (§ 16g), die die bisherige Ausbildungsduldung ersetzen wird. Dies ist im Koalitionsvertrag verabredet und grundsätzlich sehr zu begrüßen. Allerdings ist diese Gesetzesänderung wohl mit allzu heißer Nadel gestrickt worden. Dabei sind einige Folgen offensichtlich übersehen worden, die erhebliche Verschlechterungen für die Betroffenen bedeuten werden:

In dieser Form wird die neue Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung nicht funktionieren!

 

Was hat der Bundestag zur Ausbildungsduldung beschlossen?

Die Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) wird mit Inkrafttreten des Gesetzes (im siebten Monat nach Verkündung, d. h. nach jetzigem Stand frühester möglicher Termin: 1. Januar 2024) gestrichen. Die bisherigen Ausbildungsduldungen gelten danach automatisch fort als Aufenthaltserlaubnisse gem. § 16g (steht im künftigen § 104 Abs. 15 AufenthG):

Wurde eine Ausbildungsduldung nach § 60c Absatz 1 in der bis zum … [einsetzen Datum des Tages vor Inkrafttreten gemäß Artikel 12 Absatz 1] geltenden Fassung erteilt, gilt diese als Aufenthaltserlaubnis nach § 16g fort.

 

Was wird es statt der Ausbildungsduldung geben?

Es wird eine neue Aufenthaltserlaubnis § 16g eingeführt. Diese trägt den Titel „Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer“ und ist weitgehend wortgleich formuliert wie die bisherige Ausbildungsduldung. Im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung wird künftig nicht mehr § 19d erteilt, sondern dann gibt es eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16g Abs. 8. Denkbar ist dann aber wohl auch eine „normale“ Aufenthaltserlaubnis nach § 18a oder b, da diese zu Anspruchsnormen upgegradet werden.

 

Warum ist das denn problematisch?

Es ist natürlich überfällig, die Ausbildungsduldung durch eine Aufenthaltserlaubnis zu ersetzen; die Ausbildungsduldung war von Anfang an eine abwegige Konstruktion.

 

Aber: Die Umwandlung bringt indirekt massive negative Folgen mit sich, die im Gesetzgebungsverfahren (vermutlich) nicht bedacht worden sind:

 

· Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g muss – anders als für die Ausbildungsduldung – in der Regel der Lebensunterhalt gesichert sein, da hierfür künftig § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG anwendbar ist. Die Gesetzesänderungen sehen vor, dass auch für § 16g die Regelungen des § 2 Abs. 3 S. 5 AufenthG gelten sollen. Das bedeutet: Ebenso wie bei Aufenthaltserlaubnissen nach § 16a usw. müssen eigene Mittel in Höhe des BAföG-Höchstsatzes vorhanden sein. Vorausgesetzt werden hierfür aktuell 903 Euro monatlich.  Dieser Betrag muss nach den Anwendungshinweisen des BMI zwar um bestimmte Beträge reduziert werden, wenn etwa eine Krankenversicherung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses besteht, oder wenn die Wohnkosten niedrig sind (vgl. BMI : Anwendungshinweise zum FEG, Nr. 2.3.2.1). Dennoch werden viele Betroffene ein derartiges Ausbildungsgehalt nicht erzielen – insbesondere in schulischen Ausbildungen. Mit einer Ausbildungsduldung war es bisher unschädlich, wenn ergänzend Leistungen nach § 2 AsylbLG bezogen wurden. Zukünftig wird ein ergänzender Leistungsbezug nach SGB II dazu führen, dass die Aufenthaltserlaubnis gefährdet ist oder die Betroffenen sie gar nicht erst erhalten können.

 

· Besonders absurd ist, dass mit der neuen Aufenthalts-erlaubnis – anders als mit der Ausbildungsduldung – nach jetzigem Stand kein Anspruch auf BAföG besteht (§ 8 Abs. 2 BAföG). Schulische Ausbildungen sind somit für die Betroffenen faktisch ausgeschlossen.

 

· Ebenso absurd ist: Mit der neuen Aufenthaltserlaubnis werden keine Nebentätigkeiten möglich sein. Während mit einer Ausbildungsduldung Nebentätigkeiten erlaubt werden konnten und mit der „normalen“ Ausbildungs-Aufenthaltserlaubnis nach § 16a künftig sogar die Berechtigung zu 20 Wochenstunden Nebenjob besteht, fehlt in § 16g dazu jede Regelung – obwohl diese gerade hinsichtlich der dargestellten Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung unverzichtbar sein werden.

 

Was wird das alles für Folgen haben?

 

Wenn keine gesetzlichen Nachbesserungen erfolgen sollten, droht die Folge, dass viele Betroffene die neue Aufenthaltserlaubnis nach § 16g nicht erhalten können. Die Alternative der Ausbildungsduldung wird es jedoch nicht mehr geben. Und wer dennoch die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g erhält, wird wegen der Pflicht des gesicherten Lebensunterhalts keine ergänzenden Leistungen vom Jobcenter beanspruchen können – obwohl ein ergänzender Anspruch aufgrund der ab 1. Juli wesentlich höheren Freibeträge für Unter-25-Jährige bei Ausbildung durchaus bestehen könnte. Das Jobcenter wäre gem. § 87 Abs. 2 S. 3 AufenthG dann nämlich verpflichtet, dies der ABH zu melden.

Die neue Regelung bedeutet also unterm Strich – entgegen der gesetzgeberischen Absicht – eine aufenthalts- und sozialrechtliche Prekarisierung der Betroffenen! Es besteht daher dringender Nachbesserungsbedarf: Die Aufenthaltserlaubnis nach § 16g muss abweichend von der Lebensunterhaltssicherung erteilt werden, es muss ein Anspruch auf BAföG eingeführt werden, die Möglichkeit zur Nebentätigkeit muss eingeführt werden und die Denunziationspflicht bei SGB-II-Bezug muss gestrichen werden!

 

(Quelle: Projekt Q - Büro zur Qualifizierung der Flüchtlings- und Migrationsberatung)


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