Das niedersächsische Innenministerium hat – auf Grundlage der Handlungsempfehlungen des Bundesinnenministeriums – seinen Erlass zur Unzumutbarkeit der Passbeschaffung für eritreische Staatsangehörige aktualisiert.
Eritreische Staatsangehörige mit Schutzstatus:
Demnach sollen die Ausländerbehörden bei wehrpflichtigen eritreischen Staatsangehörigen (Männer von 18 bis 57 Jahren und Frauen von 18 bis 47 Jahren) mit Schutzstatus in Deutschland drauf verzichten, sie zum Zwecke der Passbeschaffung bzw. der Beschaffung anderweitiger Identitätsdokumente zur Vorsprache bei ihrer Auslandsvertretung aufzufordern, da von ihnen üblicherweise die Abgabe einer sog. Reueerklärung verlangt wird.
Eritreische Staatsangehörige mit Duldung:
Eritreische Staatsangehörige, die nicht unter den vorgenannten Personenkreis fallen, – etwa weil sie keinen Schutzstatus, sondern lediglich eine Duldung haben oder aufgrund ihres Alters nicht mehr wehrpflichtig sind – sollen hingegen weiterhin von den Ausländerbehörden verpflichtet werden, bei der eritreischen Botschaft zum Zwecke der Passbeschaffung oder Beschaffung anderer Identitätsdokumente vorzusprechen. Sofern diese Personen vortragen, dass die Abgabe der Reueerklärung von ihnen gefordert worden ist, reicht es aus, wenn sie gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde glaubhaft machen, dass sie sich bemüht haben, bei der eritreischen Auslandsvertretung vorzusprechen und plausibel und ausdrücklich erklären, dass sie die Reueerklärung nicht abgeben wollen. Im Einzelfall kann die Ausländerbehörde dann eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung feststellen.
Reiseausweis für Ausländer:innen:
Sofern es eritreischen Staatsangehörigen unzumutbar ist, an der Passbeschaffung bzw. der Beschaffung anderweitiger Identitätsdokumente mitzuwirken, kann ihnen bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Reiseausweis für Ausländer nach §§ 5 bis 7 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) erteilt werden. Bei eritreischen Staatsangehörigen mit Schutzstatus in Deutschland, die im dienstpflichtigen Alter sind, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen das Ermessen nach § 5 Abs. 1 AufenthV auf null reduziert, wobei die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer bei subsidiär Schutzberechtigten nur dann erlaubt ist, wenn keine Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen (vgl. Art. 25 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU).
Anmerkung:
Der Erlass ist zu begrüßen. Allerdings bleibt es unverständlich, weshalb eritreische Staatsangehörige, die keinen Schutzstatus in Deutschland haben und im wehrpflichtigen Alter sind, weiterhin dazu genötigt werden sollen, bei der ihrer Auslandsvertretung vorzusprechen, obwohl es klar ist, dass sie eine Reueerklärung abgeben müssen, um einen Pass oder anderweitige Identitätsdokumente zu erhalten. Aus Sicht des Flüchtlingsrat handelt es sich hierbei um einen überflüssigen Formalismus, der den Betroffenen erspart werden sollte.
Hintergrund:
Bei der sog. Reueerklärung handelt es sich um einen aus zwei Sätzen bestehenden Passus, in dem die Erklärenden bedauern, ihren nationalen Pflichten (der Ableistung des Wehrdienstes) nicht nachgekommen zu sein und erklären, eine für die „illegale Ausreise“ verhängte Strafe zu akzeptieren. Mit Abgabe dieser Reueerklärung wird eritreischen Staatsangehörigen auch ein Loyalitätsbekenntnis zu ihrem Herkunftsstaat abgefordert. Ende 2022 hat das Bundesverwaltungsgericht – in einem von uns begleiteten und Pro Asyl finanzierten Verfahren – entschieden, dass zumindest die Abgabe einer Reueerklärung unzumutbar ist, weil es sich dabei um die Selbstbezichtigung einer Straftat handelt (BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 – 1 C 9.21)26. Im Nachgang der Entscheidung hat das niedersächsische Innenministerium zunächst die Auffassung vertreten, Eritreer:innen sei es per se nicht zumutbar, einen Nationalpass zu beschaffen. Seit Juni 2023 hat das Ministerium Menschen aus Eritrea jedoch wieder genötigt, einen Pass bei der Botschaft zu beantragen. Zur Begründung führte es Einzelfälle an, in denen Pässe (angeblich) auch ohne die Abgabe einer Reueerklärung ausgestellt worden seien. Insoweit ist es zumindest ein kleiner Fortschritt, dass nunmehr lediglich eritreische Staatsangehörige ohne Schutzstatus in Deutschland bzw. solche, die nicht mehr unter die Wehrpflicht fallen, aufgefordert werden, bei ihrer Auslandsvertretung vorzusprechen.
(Quelle: nds-fluerat.org)