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JRS-Bericht: Not nach Rücküberstellung nach Bulgarien

Bild: pixabay.com
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Schon seit Jahren steht Bulgarien bei NGOs in der Kritik wegen seines Umgangs mit von türkischer Seite einreisenden Flüchtlingen - angefangen von Pushbacks über Inhaftierung, Schläge und Essensentzug bis hin zu völliger Untätigkeit nach der erzwungenen Abgabe von Fingerabdrücken. Weniger bekannt war bisher, wie es den nach Dublin-Verordnung aus Deutschland rücküberstellten Flüchtlingen in Bulgarien ergeht. Die meisten Verwaltungsgerichte folgen in Klageverfahren den Ausführungen des BAMF, dass Dublin-Rückkehrer keine Menschenrechtsverletzungen (mehr) zu fürchten haben, anders ausgedrückt: dass die dortige Aufnahme von Flüchtlingen und die Durchführung von Asylverfahren keine systemischen Mängel aufweist.

 

Der JRS, der Beratung für Abschiebungshäftlinge in den bayerischen Einrichtungen in Eichstätt und Hof leistet, hat nun erstmals Kontakt zu Betroffenen, die kürzlich nach Bulgarien zurückgeschoben wurden, aufgenommen und ihre Erfahrungen dokumentiert.

 

Im Folgenden der Bericht:

 

Mein Name ist Jana Jergl und ich berate für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland in der Abschiebungshaftanstalt in Eichstätt. In meiner wöchentlichen Beratung traf ich Herrn D., geb. am xxxxx in Gaza, BAMF-GeschZ.: 10252 341 – 998, Tel.: xxxxxxxxxx, der am 24.07.23 von Bulgarien kommend an der deutschen Grenze verhaftet worden war. Gemeinsam mit

  • Herrn A., geb. am xxxxx in Deir Ezzor/Syrien, GeschZ.: 10252397 – 475,
  • Herrn K., geb. am xxxxx in Aleppo/Syrien, GeschZ.: 10252453 – 475, und
  • Herrn A., geb. am xxxxx in Al Qahttaniak/Syrien, GeschZ.: 10252415 – 475

wurde er am 07.09.23 mittels Charterflug nach Sofia abgeschoben und meldete sich erstmals telefonisch am 11.09. bei mir, was wir zuvor vereinbart hatten. Er teilte mir folgendes mit:

 

"Als ich am 07.09. mit dem Charter nach Bulgarien abgeschoben wurde, gab mir die bulgarische Polizei am Flughafen ein Papier für die Fahrt zum Lager in Sofia. Also ging ich ins Lager und übergab das Papier dem Direktor des Lagers. Aber er warf mich raus und versuchte mich zu schlagen. Er sagte mir, ich solle nach Deutschland gehen, in Bulgarien sei kein Platz für mich. Wir sind zu fünft, drei weitere Männer wurden mit mir aus dem Gefängnis in Eichstätt abgeschoben, einer aus einem offenen Lager in Bayern wurde mit einem normalen Flugzeug zeitgleich abgeschoben. Er heißt Z., geb. am xxxxx in Syrien, GeschZ.: 9959644 – 475. Er wurde von der Security des Lagers auf den Kopf, ins Gesicht sowie in die Brust- und Bauchregion geschlagen. Aus Angst ist er aus dem Fenster gesprungen, wobei er sich den Fuß gebrochen hat, außerdem wurde seine Hand verletzt. Ich habe ein Video von den Verletzungen. Außerdem haben wir den Bericht des Krankenhauses vom 08.09. Wir sind seit vier Tagen obdachlos und haben keine Bleibe, wir schlafen draußen in einem Park. Wir haben nichts. Ich brauche dringend Hilfe. Ich bin krank und dadurch wird mein Gesundheitszustand noch schlechter. Ich habe auch kein Geld, ich habe seit zwei Tagen kein Essen mehr gekauft. Ich hoffe, diesen Zustand zu beenden, denn ich bin sehr müde und völlig erschöpft.

 

Ich habe allen davon berichtet, wie die Situation in Bulgarien war, bevor mich Deutschland dorthin zurückgeschoben hat, aber niemand hat mir zugehört.

 

Ich habe eine Zeugin für die Geschehnisse in diesem Lager, die Übersetzerin im Lager hat gesehen, was passiert ist. Sie ist besorgt und versuchte, sich um uns zu kümmern, kann aber keine Hilfe leisten. Sie empfahl mir, mich an eine Hilfsorganisation zu wenden, um Essen und einen Schlafplatz zu bekommen, aber sie schickten uns wieder weg und sagten, wir sollten in das Camp gehen, sie könnten uns nicht weiterhelfen. Wir sind am 08.09. zurück zum Camp gegangen, aber sie haben uns wieder zurückgewiesen und gedroht. Sie sagten, wir hätten in Deutschland bleiben müssen und nicht zurückkehren sollen."

 

Bestätigt werden seine Aussagen von Frau A., Tel.: xxxxxxxxxx, die als Übersetzerin für die bulgarische Organisation Council of Refugee Women in Bulgaria im Aufnahmelager in Sofia arbeitet und von den Mitarbeitern des Camps zum Übersetzen hinzugezogen worden war. Sie war anwesend, als D. und die anderen vier Geflüchteten aus dem Lager vertrieben und geschlagen wurden. Sie berichtet, dass solche Situationen häufiger vorkommen, den Geflüchteten oftmals die Aufnahme und jegliche Unterstützung verweigert wird. Sie bestätigt außerdem, dass sie gesehen hat, wie das Sicherheitspersonal Herrn Z., wie von Herrn D. beschrieben, geschlagen hat.

 

Nachtrag vom 20.9.23:

Nach knapp 2 Wochen Obdachlosigkeit konnten sich die Betroffenen mit Geld, das Ihnen der JRS hatte zukommen lassen, gestern privat in sehr beengten Verhältnissen vorübergehend einmieten. Wie sie weiterhin die monatlichen Mietkosten i. H. v. rund 200 EUR pro Kopf und ihre Lebenshaltungskosten aufbringen sollen, bleibt völlig ungewiss. Zumindest können sie jetzt erst einmal eine Wohnadresse vorweisen, was Voraussetzung für das Betreiben ihres Asylverfahrens ist.

 

Einschätzung der Situation seitens des BAMF:

In seinen aktuellen Bescheiden, mit denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Abschiebung nach Bulgarien anordnet, argumentiert es folgendermaßen (Auszug aus einem BAMF-Bescheid vom 08.09.23):

 

"Da es sich bei Bulgarien um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt, ist aufgrund des normativen Vergewisserungskonzepts davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt Ist. Zudem beruht die Dublin-Verordnung wie jede auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK sowie der EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C 411/10 und C-493- N.S. und M. E., Rn. 80)."

 

Auch in Kirchenasylfällen, in denen das BAMF anhand eines eingereichten Dossiers das Verfahren nochmals auf besondere Härten prüft, wird ein Selbsteintritt regelmäßig abgelehnt (Auszug aus einer ablehnenden Dossierentscheidung vom 7.8.23):

 

"Im Rahmen der Rückführung im Dublin-Verfahren würde Herr A. unmittelbar ein geregeltes Asylverfahren durchlaufen und hätte keine Berührungspunkte mit der bulgarischen Grenzpolizei im Rahmen eines illegalen Grenzübertritts. Dublin-Rückkehrer haben die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, das heißt, sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. (…) Demzufolge geht das Bundesamt davon aus, dass Herr A. nach einer Überstellung nach Bulgarien dort auch ordnungsgemäß untergebracht und versorgt wird."

 

Die Einschätzung des BAMF steht in krassem Widerspruch zu den oben wiedergegebenen Schilderungen von Betroffenen. Die Mindestanforderungen „Bett, Brot, Seife“, wie von der Rechtsprechung formuliert, sind für Asylbewerber in Bulgarien keineswegs erfüllt.

 

(Quelle: jrs-germany.org)


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