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Änderungen im Ausländerzentralregister: Futter für das Datenmonster.

Bild: Pixabay.com
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Das Bundeskabinett hat am 1. November 2023 einen bislang wenig beachteten Gesetzentwurf beschlossen, der zu großen Auswirkungen in der Praxis führen dürfte. Er nennt sich unscheinbar „Gesetzentwurf zur Anpassung von Daten-übermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht“ und sieht vor, dass das Datenmonster des Ausländerzentral-registers (AZR) ganz viel neues Futter erhält.

 

Dabei ist das AZR schon jetzt ein Ungetüm, in dem über 26 Millionen Datensätze gespeichert sind – betroffen ist der Teil der Bevölkerung, der nicht über einen deutschen Pass verfügt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat das AZR schon in seiner bisherigen Form zurecht als eine „Datensammlung außer Kontrolle“ bezeichnet, die Datenschutzvorgaben verletzt – insbesondere für Asylsuchende, von denen beson-ders viele teils hochsensible Daten erfasst werden. Deshalb hat die GFF zusammen mit Pro Asyl und dem Lesben- und Schwulenverband eine Verfassungsbeschwerde gegen Teile des bestehenden AZR-Gesetzes eingelegt.

 

Aber: Nach den Plänen der Bundesregierung wird das außer Kontrolle geratene Datenmonster künftig noch stärker gemästet und entfesselt. Denn anders als bisher soll im Ausländerzentralregister künftig verpflichtend gespeichert werden, wenn eine drittstaatsangehörige Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit Leistungen nach SGB II, SGB XII, Jugendhilfe (SGB VIII), Asylbewerberleistungsgesetz oder Unterhaltsvorschuss bezieht. Auf diese Informationen kann dann die Ausländerbehörde zugreifen. Und umgekehrt können die Sozialämter, Jobcenter, Unterhaltsvorschussstellen und Jugendämter auf die aufenthaltsrechtlichen Informationen, aber auch auf Informationen zu anderweitigem Leistungs-bezug im Register zugreifen.

 

Das AZR sorgt somit künftig für eine lückenlose Kontrolle. Den Gesetzentwurf durchzieht dabei zwischen den Zeilen der Generalverdacht des Missbrauchs: Die betroffenen Personen könnten möglicherweise von sich aus den Behörden die Info nicht mitteilen, daher brauchen wir ein Kontrollmonstrum. Warum dies bei deutschen Staatsangehörigen verzichtbar ist, bei nicht-deutschen hingegen nicht, erschließt sich indes nicht.

 

Letztlich geht es darum, den Ausländerbehörden ein Instru-ment an die Hand zu geben, leichter den Aufenthaltstitel entziehen zu können und den Sozialbehörden die Einstellung von Leistungen zu erleichtern. So besagt etwa die Gesetzes-begründung zu einem neuen § 15a AZRG: „Die Ausländerbe-hörden werden unverzüglich über Neueinträge im AZR infor-miert, soweit sie den Beginn oder das Ende des Gesamtbe-zugszeitraumes einer sozialen Leistung betreffen. Dies ist erforderlich, weil beide Varianten Relevanz für den Bestand des jeweiligen Aufenthaltstitels haben können.

 

Im Klartext: Die Ausländerbehörde soll sofort wissen, wenn jemand Leistungen bezieht, weil dann der Aufenthaltstitel möglicherweise weggenommen werden kann. Und sie sollen sofort wissen, wenn jemand keine Leistungen mehr bezieht, weil das ein Indiz für einen Wegzug aus dem Bundesgebiet sein kann und der Aufenthaltstitel erlischt.

 

Anders als der Gesetzesentwurf glauben macht, geht es keineswegs in erster Linie um Erleichterungen bei Verfahrens-abläufen, die ständig bemühte „Digitalisierung“ oder Erleich-terungen für Betroffene, weil sie sich nicht mehr selbst an verschiedene Behörden richten müssen. Es geht um eine systematische Kontrolle und Prekarisierung sowohl hinsicht-lich des Aufenthaltsstatus‘ als auch des Leistungsbezugs. Die Verhältnismäßigkeit, die Notwendigkeit und der Datenschutz sind dabei kein Thema. Es ist davon auszugehen, dass künftig die Ausländerbehörden sehr viel häufiger eine nachträgliche Verkürzung des Aufenthaltstitels vornehmen werden als bisher, weil die Lebensunterhaltssicherung nicht gewährleis-tet war. Alles in allem also ein weiterer Baustein zur Verun-sicherung der Existenz von Menschen ohne deutsche Staats-angehörigkeit und zur Verfestigung der Zwei-Klassen-Gesellschaft.

 

Ergänzende Anmerkungen:

 

1. Anders als noch in einem „Diskussionsentwurf“ aus August 2023 vom BMI geplant, sind freizügigkeitsberechtigte Unions-bürger*innen nicht von den Sozialdatenerfassungen betroffen. Das BMI hat vermutlich zwischenzeitlich einsehen müssen, dass das eindeutig unionsrechtswidrig gewesen wäre. Denn der EuGH hatte im Jahr 2008 (EuGH; Urteil vom 16. Dezember 2008; C-524/06) entschieden, dass von Unionsbürger*innen nur die Daten gespeichert werden dürfen, die tatsächlich „erforderlich“ sind, um das Bestehen des Freizügigkeitsrechts festzustellen. Dazu gehören die Sozialdaten in aller Regel nicht.

 

2. Der Denunziationsparagraf § 87 AufenthG, der Jobcenter und Sozialämter in bestimmten Fällen verpflichtet, die Ausländerbehörde zu informieren, bleibt parallel in Kraft. Danach müssen Jobcenter und Sozialämter bei der Ausländer-behörde denunzieren, wenn EU-Bürger*innen und Drittstaats-angehörige Leistungen Leistungen beantragen, diese aber wegen eines Aufenthaltsrechts allein zur Arbeitsuche oder wegen fehlendem materiellen Aufenthaltsrecht abgelehnt werden. Auch wenn die „Überbrückungsleistungen“ nach SGB XII beantragt werden, muss die ABH informiert werden – allerdings nur, „sofern die Inanspruchnahme nicht bereits im Ausländerzentralregister gespeichert ist“.

 

Außerdem müssen die Sozialbehörden gem. § 87 Abs. 2 S. 4 AufenthG wie bisher die Ausländerbehörde informieren, wenn drittstaatsangehörige Personen einen Antrag stellen, die einen Aufenthaltstitel für die Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Studium oder als deren Familienangehörige haben. Hier stellt sich die Frage, welchen Sinn diese Meldepflicht hat, da der Leistungsbezug ja ohnhin im AZR gespeichert wird. Als weiterer Denunziationstatbestand kommt neu hinzu, dass die Sozialbehörde die ABH informieren müssen, wenn Personen nicht nur vorübergehend ausreisen. Dies gilt auch für Unionsbürger*innen.

 

(Quelle: Projekt Q – Qualifizierung der Flüchtlingsberatung)

 


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