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RAN: Kein sicherer Herkunftsstaat für Roma. Zur aktuellen Lage im Kosovo.

Bild: pixabay.com
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Am 20. Juli 2019 wurde unser ehemaliger Klient Gani Rama nach seiner Abschiebung in den Kosovo auf offener Straße von einem kosovo-albanischen Nationalisten ermordet. Es war nicht seine erste Abschiebung und es war nicht das erste Mal, dass er anschließend Gewalt erlebte. Der Täter wurde gefasst, da die Tat von Überwachungskameras gefilmt wurde. Er wur-de wegen fahrlässiger Tötung zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Nach inoffiziellen Informationen wurde er je-doch nach ca. einem halben Jahr aus der Haft entlassen.

 

Gani Rama wurde während des Kosovokriegs das Opfer von schweren Kriegsverbrechen. Er litt unter einer posttrauma-tischen Belastungsstörung und weiteren schweren physischen und psychischen Erkrankungen. Dass er im Kosovo verfolgt wurde, haben die Behörden in Deutschland ihm nicht ge-glaubt. Dass er im Fall einer Abschiebung seines Lebens nicht sicher sei, hat die Behörden nicht interessiert. Gani Rama hin-terließ fünf Kinder. Seine Familie konnte nicht zur Beerdigung, da sie in Deutschland nur geduldet ist.

 

Der Kosovo gilt seit 2015 in Deutschland als „sicheres Her-kunftsland“. Die Einstufung erfolgte trotz massiver Widerstän-de von Roma- und Menschenrechtsorganisationen. So schrieb Amnesty International 2014: „Die Menschenrechtssituation in den genannten Staaten des Westbalkans lässt die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten nicht zu. Die Überzahl aller Stel-lungnahmen in der Verbändebeteiligung u.a. von Amnesty International, Proasyl, UNHCR und den Kirchen haben deut-lich gemacht, dass es gerade für Angehörige der Roma grund-legende strukturelle Probleme in diesen Ländern gibt. Exis-tenzgefährdende Formen der Diskriminierung und der fehlen-de staatliche Schutz vor rassistischen und homophoben An-griffen sind durchaus asylrechtlich relevant.

 

Für Roma ist der Kosovo nicht sicher. Heute noch weniger als 2015, denn der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo stellt insbesondere für Roma eine große Gefahr dar, die als Unbetei-ligte immer im Verdacht stehen, die jeweils andere Seite zu unterstützen.

 

Vor kurzem floh eine Roma-Familie aus dem Kosovo, weil sie dort verfolgt wird. Im Rahmen polizeilicher Untersuchungen wird ihnen vorgeworfen, an einer Demonstration der serbi-schen Minderheit im Kosovo teilgenommen und Steine Rich-tung kosovarischer Polizei und KFOR-Truppen geworfen zu haben. Auf der Polizeiwache hätten sie ihre „große Unter-stützung für die in Mitrovica lebende serbische Bevölkerung deutlich gemacht“. Damit hätten sie ein Verbrechen gegen die kosovarischen Behörden und die KFOR begangen. Die Familie hatte panische Angst und ist aus dem Kosovo geflohen. Denn die Unterstellung, die serbische Seite zu unterstützen, war im-mer wieder Hintergrund für Gewalt gegen Roma durch die Mehrheitsbevölkerung im Kosovo.

 

Seit 2022 protestieren die serbischen Bewohner:innen des Ko-sovo immer wieder gegen ihre Behandlung durch die kosova-rischen Behörden. Im Dezember 2022 haben die meisten eth-nischen Serb:innen im Kosovo, die im öffentlichen Dienst tätig waren, ihre Stellen verlassen. Ein zentraler Knackpunkt bei den Protesten sind die albanischen Bürgermeister in vier mehrheitlich von Serb:innen und Roma bewohnten Orten, die von diesen nicht gewählt worden sind. Die Wahlbeteiligung bei diesen Wahlen im Mai 2023 lag bei rund drei Prozent.

 

Anschließend kam es wieder zu Demonstrationen von ser-bischen Bewohner:innen mit vielen Verletzten auf Seiten der KFOR und noch viel mehr Verletzten auf Seiten der Demon-strierenden. Zu der Gewalt kam es, nachdem Kosovo die Poli-zeipräsenz stark erhöht hatte. Es kam zu Verhaftungen und es gibt Hinweise darauf, dass die Verhafteten gefoltert wurden. Darüber hinaus kam es auch zu Verhaftungen ohne ersicht-lichen Grund oder unter Angaben diffuser Gründen „Verbrei-tung nationaler Feinseligkeiten“.

 

Die Bürgermeisterin von Gračanica, einer weiteren serbischen Gemeinde im Kosovo sagte im Juni 2023, der Terror gegen die serbische Bevölkerung im Kosovo werde täglich schlimmer. Sie vergleicht die Situation mit 1999 und 2004.

 

Die NATO hat ihre Truppen im Kosovo (KFOR) um 1000 Sol-dat:innen erhöht. Auch die USA und die EU forderten Neu-wahlen. Obwohl es eigentlich vorgesehen ist und von der Europäischen Union als Bedingung für den Beitritt zum Euro-parat gemacht worden ist, dass die Selbstverwaltungsstruk-turen der serbischen Minderheit im Kosovo endlich aufgebaut werden, weigert sich die kosovarische Regierung weiterhin, dies zu tun.

 

Der Konflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern führte in den letzten Jahrzehnten immer zu mehr Rassismus und An-griffen auf Roma, wie weiter unten noch beschrieben wird.

Die Familie, die nun Asyl beantragt hat, gibt an, mehrfach Dro-hungen durch die Polizei und andere Albaner:innen erhalten zu haben. Die Familie hat Todesangst vor den Albaner:innen. Da die Polizei involviert ist, gibt es keine Möglichkeit auf staat-lichen Schutz.

 

Ganz im Gegenteil: In der Behauptung, sie würde die serbische Bevölkerung unterstützen, liegt eine hochgradige Bedrohung für die Familie durch die Behörden des Kosovo. Die falsche Unterstellung, Roma seien Kollaborateure der Serben, war der zentrale Hintergrund der ethnischen Säuberung gegen Roma nach dem Kosovokrieg 1999 und stellt bis heute eine massive Bedrohung für die Roma im Kosovo dar.

 

Im Asylverfahren findet das jedoch keine Berücksichtigung. Die Antrag stellende Familie wurde darauf hingewiesen, dass sie aus einem “sicheren Herkunftsland” stamme und davon ausgegangen wird, dass sie keine Verfolgung erleben. Sie hät-ten die Möglichkeit, Verfolgungsgründe zu nennen und Bewei-se vorzulegen. Die Familie benennt die Verfolgung und die To-desangst, die sie vor der Mehrheitsbevölkerung im Kosovo und der kosovarischen Polizei hat. Der Mann erwähnt unter anderem, dass seine Frau von K-Albanern vergewaltigt worden ist (ohne Angabe des Jahres). Die Frau sagt, sie sei 1999 von K-Albanern vergewaltigt worden. Die Anhörerin behauptet, der Mann habe gesagt, die Vergewaltigung habe vor sieben Jahren stattgefunden und fragt sie, wie sie sich diesen Unterschied er-kläre. Aus dem Anhörungsprotokoll geht jedoch hervor, dass er kein Datum genannt hat.

 

Während der nationalistisch aufgeladenen Bürgerkriege in Ju-goslawien gerieten Roma, die keiner der Krieg führenden Gruppierungen angehörten, zwischen die Fronten und wurden Opfer zahlreicher Kriegsverbrechen durch alle Krieg führenden Seiten.

 

In der Region Kosovo eskalierte der Konflikt zwischen Serb:in-nen und Albaner:innen in den 1990er Jahren immer mehr und die Minderheiten, allen voran die Roma, gerieten unter erheb-lichen Druck durch beide Seiten und zwang viele in die Flucht. Weitere flüchteten während des Kosovokrieges (1998/99). Nach dessen offiziellem Ende (Kumanovo-Abkommen vom 9. Juni 1999) wurden fast alle Roma aus dem Kosovo vertrieben. Ab dem 13. Juni 1999 bgeann das größte Verbrechen, das Ro-ma seit dem Zweiten Weltkrieg erlebten:

 

Die (kosovo-)albanische Mehrheitsbevölkerung begann eine ethnische Säuberung gegen die gesamte Roma-Community der Region – unter den Augen der stationierten Internationa-len Truppen (KFOR), die den Abzug der jugoslawischen Armee und die Rückkehr der Kosovo-Albaner:innen überwachen soll-ten.

 

Bei der ethnischen Säuberung wurden fast 90 Prozent (150.000 Menschen) der kosovarischen Roma aus ihrer Heimat vertrieben. Sie erlebten gravierende Kriegsverbrechen (Folter, Vergewaltigung, Mord u.a.). So auch die Familie, die sich nun an uns gewandt hat. Neben der erlebten Gewalt, hat sie ihr Ei-gentum verloren. Ihr Haus existierte nicht mehr, als sie nach ihrer Flucht zurückkehren mussten.

 

Die Häuser der aus dem Kosovo geflüchteten Roma wurden geplündert und angezündet oder von Angehörigen der Mehr-heitsbevölkerung besetzt. Das ist einer der zentralen Gründe, warum Roma, die in den Kosovo abgeschoben wurden und werden, keinen Ort mehr haben, an den sie zurückkehren könnten.

 

Nach mehr als 600 Jahren Kultur im Kosovo, lebt der Großteil der kosovarischen Roma-Community heute in der Diaspora, überwiegend in der Europäischen Union oder in Übersee, an-dere als Binnenvertriebene in den Nachfolgestaaten Jugosla-wiens (z.B. Serbien und Nordmazedonien), wo sie als Geflüch-tete aus dem Kosovo wenig Rechte haben und noch mehr Dis-kriminierung erleben als einheimische Roma.

 

Die sehr kleine Gruppe der nach der Vertreibung im Kosovo verbliebenen und die zwangsweise zurückgekehrten Roma leben i.d.R. in den wenigen mehrheitlich von ethnischen Serb:innen bewohnten Orten, wo sie nicht ganz so schutzlos sind wie in den albanisch besiedelten Orten. Mitrovica ist einer dieser Orte. Die Stadt ist in einen von ethnischen Albaner:in-nen bewohnten Süden und einen von ethnischen Serb:innen und Roma bewohnten Norden geteilt, die durch den Fluss Ibar getrennt sind.

 

Mitrovica hatte vor dem Krieg die größte Roma-Community des Kosovo. Allein in der Siedlung Fabrička Mahalla lebten et-wa 8500 Roma. Die Siedlung existierte seit mindestens 300 Jahren. 1998 gab es in Mitrovica etwa 2000 Häuser, die Roma gehörten. Zwei Jahre später standen davon noch 40 Häuser.

 

Auch nach der Vertreibung 1999 kam es immer wieder zu An-griffen auf die wenigen verbliebenen Roma. Im Jahr 2004 gab es einen gut orchestrierten Pogrom, der wieder in Mitrovica begann und sich mehrheitlich gegen ethnische Serb:innen richtete. Jedoch wurden auch hier wieder Roma Opfer des Konfliktes zwischen Serb:innen und Albaner:innen und gezielt attackiert. So wurde die Roma-Siedlung in Vučitrn im Bezirk Mitrovica von Kosovo-Albaner:innen angegriffen und angezün-det (die meisten der 600 Roma-Häuser waren allerdings be-reits 1999 zerstört worden). An anderen Orten wurde das Ei-gentum von Roma nach und nach geräumt. Heute existiert fast nichts mehr von der jahrhundertealten Roma-Kultur im Kosovo.

 

Es kommt auch zu rassistisch und nationalistisch motivierten Angriffen auf Roma im Kosovo.  Gani Rama ist ein Beispiel da-für. Ein k-albanisches Online-Portal hatte in sozialen Medien  verbreitet, er sei 1998 an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen (faktisch war er ein Opfer von Kriegsverbrechen). Die falschen Informationen wurden mit einem Foto seines serbischen Personalausweises abgebildet, d.h. die „Informationen“ müssen von Behörden an die Presse weitergeleitet worden sein.

 

Für Gani Rama bedeutete die Unterstellung, er sei ein ser-bischer Kollaborateur gewesen, den Tod. Für die nun geflüch-tete Familie kann es dasselbe bedeuten.

 

Es handelt sich hierbei nicht um „Sonderfälle“, sondern die Darstellung, Roma seien Kollaborateur:innen der Serb:innen ist ein gängiges Narrativ seitens der K-Albaner:innen zum Ko-sovokrieg und stellt eine erhebliche Gefahr dar. Gleichzeitig können im Kosovo keine Narrative zum Krieg jenseits des al-banischen existieren. Eine pluralistische Gedenkkultur exis-tiert de facto nicht. Das Gedenken an die ethnische Säuberung findet gänzlich in der Diaspora statt. Gedenkveranstaltungen fanden bis dato beim World Roma Congress 2023 in Berlin und in 2023 und 2024 in Frankreich (Troyes und Besançon) statt.

 

Die serbisch-kosovarische Grenzregion ist immer wieder Schauplatz von Gewalt zwischen der serbischen und der koso-vo-albanischen Seite. Die Spannungen nahmen seit Ende 2022 wieder erheblich zu. 2023 eskalierte die Lage, als eine Gruppe ethnischer Serben eine Polizeistation in Banjska bei Mitrovica angriff. Ein Polizist und drei Angreifer wurden getötet. Kosovo beschuldigt die serbische Regierung hinter dem Angriff zu ste-cken, die serbische Seite streitet dies ab. Die NATO erhöhte in der Folge die stationierten KFOR-Soldaten. Auf den Angriff folgten Maßnahmen gegen die serbische Bevölkerung im Ko-sovo und ihre Strukturen/ Institutionen. Diese lösten nicht nur Proteste in der serbischen Bevölkerung aus, sondern riefen auch die „internationalen Partner“ des Kosovo auf den Plan. Eine „Normalisierung“ der Beziehung zwischen Serbien und Kosovo liegt in weiter Ferne. Kürzlich wurde ein serbischer Po-lizist mutmaßlich von einem Kosovo-Albaner in Serbien erschossen, der wiederum ermordet wurde.

 

Der neue Bericht der Bundesregierung zur Einschätzung der Situation in den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ba-siert bezüglich des Kosovo im wesentlichen auf den Inhalten der kosovarischen Verfassung. Diese garantiert den Minderhei-ten weitgehende Rechte. Davon wird jedoch für Roma prak-tisch so gut wie nichts umgesetzt.

 

Auf die Eskalation der Situation im kosovarisch-serbischen Grenzgebiet und die Auswirkungen auf beide Länder wird in dem Bericht nicht weiter eingegangen. Es wird lediglich er-wähnt: „Die Sicherheitslage ist stabil, vereinzelt kommt es in mehrheitlich serbisch besiedelten Gebieten zu sicherheitsrele-vanten Vorfällen.“ Damit wird suggeriert, die serbische Min-derheit stelle das (alleinige) Problem dar. Nach wie vor sind im Kosovo Internationale Organisationen im Einsatz. Anders als der genannte Bericht suggeriert, verweist allein die Notwen-digkeit, dass nach wie vor UNMIK, KFOR und die Rechtsstaat-lichkeitsmission der EU (EULEX) vor Ort sind, dass die Sicher-heitslage fragil ist. Die Stationierung der KFOR-Truppen hat weder die ethnische Säuberung 1999 verhindert noch den Pogrom 2004. Ganz im Gegenteil: Sie haben tatenlos zugese-hen. Die erfolgte Truppenerhöhung nach dem Angriff auf die Polizeistation mit mehreren Toten zeigt, wie gespannt die Lage ist.

 

Für die Kriegsverbrecher-Prozesse gegen den ehemaligen ko-sovarischen Präsidenten Hashim Thaçi und weitere ehemalige hochrangige Politiker musste ein kosovarisches Gericht außer-halb des Kosovo geschaffen werden, denn das kosovarische Justizsystem wird vom „Westen“ als nicht stabil genug ange-sehen, entsprechende Prozesse durchzuführen. Dieses als „Spezialkammern“ bezeichnete Gericht wurde auf interna-tionalen Druck hin in Den Haag eingerichtet und mit interna-tionalem Personal besetzt. Ein zentrales Problem bei bishe-rigen Kriegsverbrecher-Prozessen gegen Kosovo-Albaner war, dass die Zeug:innen „abhanden“ kamen, weswegen man nun dem Schutz der Zeug:innen sehr hohe Aufmerksamkeit wid-met (dennoch gab es im Kontext der jetzigen Prozesse bereits Verurteilungen gegen zwei Führungsfiguren des UÇK-Vetera-nenverbandes, weil sie versucht hatten, die ihnen zugespiel-ten Namen der Zeug:innen gegen Thaçi und Co. an die Öffent-lichkeit zu bringen). Hashim Thaçi und den weiteren Angeklag-ten wird u.a. die Verantwortung für mehr als 100 Morde an Serb:innen, Roma und anderen Minderheiten sowie politi-schen Gegner:innen aus der kosovo-albanischen Bevölkerung während und nach dem Kosovokrieg zur Last gelegt.

 

Beim kürzlich durchgeführten Zensus im Kosovo wurden die Rechte der Roma verletzt. Die kosovarischen Roma in der Diaspora (also knapp 90% der K-Roma) konnten sich nichtmal als solche registrieren. Zudem konnte man im Zensus nur zer-störtes Eigentum registrieren, das bis zum 11. Juni 1999 zer-stört wurde, was es für den Großteil der Roma-Community un-möglich macht, die Zerstörung und den Raub ihrer Häuser an-zugeben, da diese weitgehend ab dem 13. Juni 1999 erfolgten. Die OSZE hatte bereits im April kritisiert, dass wesentliche In-formationen für die Bevölkerung nicht in alle offiziellen Spra-chen übersetzt worden sind und die Minderheiten nicht angemessen erreicht würden.

 

Roma im Kosovo werden auf allen Ebenen der Gesellschaft diskriminiert, vor allem auf struktureller und institutioneller, aber auch im Alltag. Roma-Kinder werden in der Schule und im Schulsystem diskriminiert, segregierte Schulen für Roma-Kinder sind ein gravierendes Symptom institutioneller Diskri-minierung. Roma erleben Diskriminierung im Gesundheitswe-sen, Krankenversicherung funktioniert nicht, Roma müssen alle Kosten selbst übernehmen. 90% der Roma erhalten keine Arbeit wegen ihrer ethnischen Herkunft und müssen im pre-kären und informellen Sektor arbeiten. Polizeigewalt ist üblich und Beschwerden von Roma werden ignoriert.

 

Viele Roma sind gezwungen, in infrastrukturell schlecht ange-bundenen informellen Siedlungen an den Stadträndern zu leben. Abgeschobene Roma erhalten ihre Häuser nicht zurück. Sie sind entweder zerstört worden, werden illegal durch Ange-hörige der Mehrheitsbevölkerung besetzt oder wurden kon-fisziert. Kinder in den Schulen anzumelden, ist vielfach un-möglich. Die Menschen landen meist auf der Straße und ha-ben keine andere Wahl, als den Kosovo wieder zu verlassen.

Kosovarische Roma in der Diaspora haben vielfach Probleme, Papiere zu bekommen. Teilweise waren sie nie registriert, teil-weise sind ihre Papiere bei der Flucht verloren gegangen oder im Kontext der ethnischen Säuberungen zerstört worden.

 

Besonders für in der Diaspora nachgeborene Kinder (mittler-weile auch junge Erwachsene) und Enkel stellt das ein gravie-rendes Problem beim Zugang zu einem Aufenthaltsstatus dar. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat sich in einem Beschluss auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem Ko-sovo berufen, wonach viele im Kosovo lebende Roma nicht registriert sind und/oder ihren Personenstand nicht dokumen-tieren können. Gleichfalls gibt es Probleme mit der Registrie-rung bei den serbischen Behörden/ Konsulaten.

 

Das Roma Center war an Studien beteiligt, die von der Unab-hängigen Kommission Antiziganismus (UKA) in Auftrag gege-ben wurde, darunter v.a. an der größten Studie zu Rassismuserfahrungen. In dieser Studie war das Thema Blei-berecht und die Diskriminierung, die Roma in diesem Bereich erleben, einer der Schwerpunkte. Der UKA-Bericht erschien unter dem Titel Perspektivwechsel – Nachholende Gerech-tigkeit – Partizipation. Er hat sechs zentrale Empfehlungen, darunter die „Anerkennung von geflüchteten Rom_nja als besonders schutzwürdige Gruppe“. Darin heißt es:

 

In der Asylpolitik des wiedervereinigten Deutschlands führ-ten seit 1990 antiziganistisch geprägte Debatten und Praktiken zu einer erheblichen Benachteiligung von Rom_nja, die in Deutschland Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und Krieg suchten. Fluchtursachen wurden nicht anerkannt, und auch eine historische Verantwortung wurde für diese Überlebenden und Nachkommen eines vom nationalsozialistischen Deutsch-land zu verantwortenden Genozids von der Bundesrepublik nicht übernommen. Insbesondere Rom_nja, die aus Jugo-slawien und den postjugoslawischen Staaten nach Deutsch-land flohen, wurde Zugang zu Recht, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Arbeit erheblich erschwert oder gar verweigert. Ihnen wurde damit jegliche Zukunftsperspektive verwehrt.

 

[…] Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmun-gen des Aufenthaltsgesetzes ist klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Rom_nja aus historischen und huma-nitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind. Landesregierungen und Ausländerbe-hörden sind aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Rom_nja sofort zu beenden.

 

[..] Der Bundesregierung und dem Gesetzgeber des Bundes wird empfohlen, die menschenrechtlich nicht haltbare Einstu-fung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Al-banien, Montenegro und dem Kosovo als „Sichere Herkunfts-staaten“ zurückzunehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wie auch die Verwaltungsgerichte haben bei ihren asylrechtlichen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten, dass sich Erfahrungen von Diskriminierung in diesen Staaten im Rahmen staatlicher Strukturen wie auch im Alltag indivi-duell in unterschiedlicher Intensität verdichten können. Daher ist die bisherige Entscheidungspraxis mit Blick auf die tatsäch-liche Situation von Rom_nja in diesen Staaten zu prüfen. Kumulative Verfolgungsgründe sind anzuerkennen.“

 

Die Umsetzung eines auf der historischen Verantwortung basierenden Bleiberechts fordern wir seit vielen Jahren. Sie besteht vor allem auf dem § 23 des Aufenthaltsgesetzes.

 

(Quelle: ran.eu.com)

 


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