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VG Düsseldorf: Anspruch auf Duldungsbescheinigung, wenn Abschiebung (warum auch immer) nicht betrieben wird

Bild: pixabay.com
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Immer mehr Gerichtsentscheidungen sehen es nicht als not-wendig an, eine Duldungsbescheinigung auszustellen, wenn die Abschiebung von der ABH zwar nicht aktiv betrieben, aber auch keine weiteren rechtlichen oder tatsächlichen Abschie-bungshindernisse vorliegen. So sieht der VGH Hessen diesen duldungslosen und damit gleichsam ungeregelten Aufenthalt für bis zu sechs Monate als zulässig an.

 

Diese merkwürdige Rechtsprechung ist überhaupt nicht nach-vollziehbar, weil sie einen rechtlich nicht vorgesehenen neuen "Schattenstatus" produziert. Sie lädt damit die rein deklara-torische Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung mit einer materiellen Bedeutung auf, die diese nicht hat. Zum anderen führt dies auch zu einer "umfassenden Entrechtung" der Betroffenen, denen in der Praxis dann die AsylbLG Leistun-gen verweigert werden, die keine Beschäftigungserlaubnis er-halten können und denen (wegen vermeintlich fehlender Vor-duldungszeiten bzw. wegen fehlendem Duldungsstatus) auch jeglicher Wechsel in § 25a/b, Ausbildungs- oder Beschäfti-gungsduldung oder § 104c verweigert wird.

 

Erfreulich ist, dass das VG Düsseldorf (Beschluss vom 25. April 2025, 8 L 1143/24 endlich mal die Gegenmeinung vertritt: Eine Duldung muss immer dann ausgestellt werden, wenn die Aus-reisefrist abgelaufen ist und nicht verlängert wird, die Abschie-bung aber - warum auch immer - nicht durchgeführt wird. Dies gilt auch dann, wenn die Abschiebung nur deshalb nicht durchgeführt wird, weil zum Beispiel die Überlastung der Mit-arbeiter der Behörde oder fehlende Organisationsstrukturen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht/ der Grund sind. Das VG Düsseldorf begründet dies auch mit der EU-Rückführungsrichtlinie:

 

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Ausstellung einer Duldungsbescheinigung in entsprechender Anwendung von § 60a Abs. 4 AufenthG aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG. Die Antragsgegnerin hat die in Art. 8 der Richt-linie festgelegten Fristen offensichtlich seit langem verstrei-chen lassen, ohne irgendwelche Maßnahmen zur Rückführung des Antragstellers einzuleiten. Solche Maßnahmen sind auch weiterhin nicht zu erkennen. Dieser Sichtweise steht nicht ent-gegen, dass Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie nur Drittstaatsangehö-rige erfasst, bei denen die Vollstreckung der Abschiebung ge-mäß Art. 9 der Richtlinie aufgeschoben wurde, was im Falle des Antragstellers nicht geschehen ist. Denn es kann nicht zu Lasten des Antragstellers gehen, dass die Antragsgegnerin ent-gegen ihrer Verpflichtungen aus der Richtlinie 2008/115/EG die Vollstreckung der Abschiebung nicht aufschiebt, obwohl die Fristen aus Art. 8 der Richtlinie bereits seit langem abgelaufen sind. Die Antragsgegnerin wäre gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richt-linie 2008/115/EG verpflichtet gewesen, die Abschiebung auf-zuschieben. Ein solcher Aufschub ist nach Art. 9 Abs. 2

lit b) der Richtlinie auch aus technischen Gründen möglich. Die Bezugnahme auf Beförderungskapazitäten in der Rege-lung ist dabei ausweislich des Wortlauts ("wie") nur beispiel-haft, so dass auch technische Gründe auf Seiten der Antrags-gegnerin - wie Überlastung der Mitarbeiter der Behörde oder fehlende Organisationsstrukturen zur Durchsetzung der Aus-reisepflicht - nach Auffassung der Kammer berücksichtigungs-fähig sind.

 

Eine andere Sichtweise würde die Drittstaatsangehörigen der Willkür der Mitgliedstaaten aussetzen, die durch widerrecht-liches Absehen vom Aufschub der Abschiebung die in Art. 14 der Richtlinie 2008/114 statuierten Garantien aushebeln könnten.

 

Die unionsrechtlich gebotene Bescheinigung nach den natio-nalen Vorschriften ist allein eine im Sinne des § 60a Abs. 4 AufenthG. Eine andere Bescheinigung sieht das nationale Recht nicht vor.

 

Es ist zu hoffen, dass die Praxis der ABHen und die Recht-sprechung der Gerichte sich (wieder) mehr an dieser Rechts-auffassung orientieren, um die administrative Entrechtung von Menschen durch die willkürliche Verlagerung in ein aufenthaltsrechtliches Niemandsland zu überwinden.

 

Mehr Infos zu der Entscheidung des VG Düsseldorf gibt es im immer lesenswerten HRFF-Newsletter.

 

(Quelle: ggua.de)


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