
„Die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts bestätigt die Einschätzung der EKD in dieser Frage: Dauerhafte Grenzkontrollen und pauschale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen sind mit EU-Recht unvereinbar. Das Urteil ist eine gute, wichtige Nachricht für den Flüchtlingsschutz. Und es ist zugleich ein deutliches Signal an die Bundesregierung. Statt auf nationale Alleingänge und rechtlich fragwürdige Scheinlösungen zu setzen, sollte Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Nachbarn menschenrechtliche Lösungen verfolgen und geltendes Recht achten.“
Die Pressemitteilung des VG Berlin: Zurückweisungen bei Grenzkontrollen sind rechtswidrig (Nr. 32/2025)
Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußern, dürfen nicht ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitglied-staates für die Prüfung des Asylantrags zurückgewiesen wer-den. Das hat das Verwaltungsgericht in mehreren Eilverfahren entschieden.
Die drei somalischen Antragsteller, zwei Männer und eine Frau, gelangten mit dem Zug aus Polen kommend ins Bundesge-biet. Am 9. Mai 2025 wurden sie am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs noch an demselben Tag nach Polen zurückgewie-sen. Die Zurückweisung wurde seitens der Bundespolizei mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat begründet.
Hiergegen wandten sich die Antragsteller, die sich derzeit in Polen aufhalten, mit Eilanträgen. Die 6. Kammer des Verwal-tungsgerichts hat den Anträgen im Wesentlichen stattgege-ben. Die Zurückweisung der Antragsteller sei rechtswidrig. Die Bundesrepublik sei nach der Dublin-Verordnung der EU dazu verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsge-biet gestellt werden, in jedem Fall das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren zur Bestimmung des für das Asyl-verfahren zuständigen Mitgliedstaats vollständig durchzu-führen (so genanntes „Dublin-Verfahren“). Die Antragsteller hätten ein entsprechendes Asylgesuch geäußert, sodass ihnen der Grenzübertritt erlaubt und das Dublin-Verfahren in Deutschland durchgeführt werden müsse. Die Bundesrepublik könne sich nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe.
Insbesondere könne sie die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 72 des Vertrages über die Arbeits-weise der Europäischen Union (AEUV) stützen. Es fehle dafür bereits an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Antragsgegne-rin.
Die Antragsteller könnten allerdings nicht verlangen, über den Grenzübertritt hinaus in das Bundesgebiet einzureisen. Denn nach der Dublin-Verordnung sei es möglich, das Dublin-Ver-fahren an
der Grenze oder im grenznahen Bereich durchzufüh-ren, ohne dass damit zwangsläufig eine Einreisegestattung verbunden sein müsse.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
Beschlüsse der 6. Kammer vom 2. Juni 2025 (VG 6 L 191/25 u.a.)